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Kind, das Eltern pflegt, darf Geschenke bekommen

 
 

Zwischen Geschwistern kommt es immer wieder zu Streit. Als Kinder rangeln sie vielleicht um Spielsachen, im Erwachsenenalter kann es auch mal um eine Immobilie gehen, die ein Elternteil einem Kind geschenkt hat. So auch in einem Fall vor dem Landgericht Koblenz (Urteil vom 18.11.2021, Az. 1 O 222/18), bei dem ein Elternteil einem der Kinder ein Grundstück schenkte, der Geschwisterteil, der im Testament als Schlusserbe für genau dieses Grundstück bestimmt ist, das Grundstück nicht zurückfordern kann.

Schenkung für Pflegeleistung als Belohnung

Haben Sie sich in einem Erbvertrag oder in einem gemeinschaftlichen Testament verpflichtet, dass Sie nach dem Tod des Partners nur noch in bestimmter Art und Weise über Ihr Vermögen verfügen dürfen, sind Schenkungen an Dritte nur unter Voraussetzungen möglich. Die Rechtsprechung wendet den dafür maßgeblichen § 2287 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), der nur von Erbverträgen spricht, auch auf gemeinschaftliche Testamente an.

Zunächst ist es so, dass Sie nach dem Tod Ihres Partners oder umgekehrt der Partner nach Ihrem Ableben zu Lebzeiten ungehindert über Ihr Vermögen verfügen können, indem Sie Vermögenswerte verkaufen oder verbrauchen. Schenkungen jedoch unterliegen Einschränkungen.

Haben Sie Ihren Nachlass in einem Erbvertrag oder in einem gemeinschaftlichen Testament geregelt, sind Sie nicht mehr berechtigt, die darin enthaltenen Vereinbarungen nach eigenem Ermessen abzuändern. Sie haben sich vertraglich verpflichtet, so zu verfahren, wie Sie es im Erbvertrag oder Testament vereinbart haben. Möchten Sie den Inhalt des Erbvertrages oder des gemeinschaftlichen Testamentes rückgängig machen, sind Sie auf die Mitwirkung und Zustimmung Ihres Ehepartners angewiesen. Ist der Ehepartner verstorben, sind Sie in Ihrem Verfügungsrecht eingeschränkt.

Verschenken Sie als überlebender Ehepartner Vermögenswerte in der Absicht, einen Vertragserben in seinen Rechten zu beeinträchtigen, müssen Sie damit rechnen, dass der Beschenkte das Geschenk nach Ihrem Tod an den Vertragserben herausgeben muss. Sie haben dann möglicherweise eine „böswillige Schenkung“ im rechtlichen Sinne getätigt.

Schenkung mit Gegenleistung

Eine böswillige Schenkung ist nur dann nicht anzunehmen, wenn Sie als Erblasser ein eigenes Interesse daran hatten, einer dritten Person etwas zu schenken. Die Gerichte sprechen dann vom einem „lebzeitigen Eigeninteresse“ des Erblassers. Eine solches Eigeninteresse liegt meist dann vor, wenn Sie als Schenkender objektiv nachvollziehbare Gründe für die Schenkung hatten. Dieses Eigeninteresse ist meist die Belohnung für langjährige Pflege und Betreuung. Es ist also eine Schenkung mit Gegenleistung.

Immobilie gegen Pflege

Genau darum ging es im Fall des Landgerichts Koblenz. Ein Ehepaar hatte sich in einem gemeinschaftlichen Testament wechselseitig als Alleinerben eingesetzt. Als Schlusserben wurden die drei gemeinsamen Kinder bestimmt. Allerdings sollte einer der Söhne ein bestimmtes Grundstück erben. Nachdem der Vater verstorben war, schenkte die Mutter dieses Grundstück der Tochter.

Der Sohn klagte gegen seine Schwester auf Herausgabe des Grundstücks. Grund war, dass die Tochter die Mutter zu Lebzeiten intensiv gepflegt hatte. Nach der Aussage verschiedener Zeugen habe die Tochter die Mutter erheblich betreut, gepflegt und versorgt, Erledigungen getätigt, den Haushalt geführt, die Mutter finanziell unterstützt und im Alltag begleitet. Die Tochter habe damit einen Kostenaufwand übernommen, der auch bei der Pflege der Mutter im eigenen Haus durch einen Dienstleister oder durch die Unterbringung in einem Altersheim verursacht worden wäre und das Erbe auch so verringert hätte.

Der Sohn hingegen war der Überzeugung, dass die Mutter den Grundbesitz nur aufgrund ihres persönlichen Zerwürfnisses an die Tochter verschenkt habe und die Tochter die Mutter nicht entsprechend des Wertes des Grundstückes gepflegt habe. Da der Sohn aber nicht beweisen konnte, dass kein derartiges Eigeninteresse vorgelegen habe und er insoweit in der Beweispflicht war, verlor er den Erbrechtsprozess.

Expertentipp: Sind Sie selbst potentieller Erblasser, begründet Ihre Einsicht, dass das gemeinschaftliche Testament ungerecht ist und andere Erben benachteilige, kein derartiges lebzeitiges Eigeninteresse. Ihre Schenkung wäre dann böswillig.

Geschenk zurückgeben?

Es kommt nicht darauf an, ob der oder die Beschenkte die Absichten des Schenkers gekannt hat.

  • Rückgabepflichtig ist also auch derjenige, der überhaupt nicht wusste, dass der oder die Verstorbene durch einen Erbvertrag oder ein gemeinschaftliches Testament gebunden war.
  • Allerdings unterliegt die Rückgabe des Geschenks den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung. Wer ein Geschenk angenommen hat, ohne die benachteiligende Absicht des Verstorbenen zu kennen, braucht nur noch herauszugeben, was noch vorhanden ist.
  • Es ist die „Bereicherung“ herauszugeben. Die Rückgabepflicht entfällt daher, wenn ein gutgläubiger Beschenkter, der die böse Absicht des Schenkers nicht kannte, nicht mehr bereichert ist.

Wer dann das Geschenk zurückfordern möchte, muss beweisen können, dass der oder die Verstorbene böswillig gehandelt hat. Er muss die Umstände erklären können, die darauf schließen lassen, dass der Verstorbene den Erbvertrag oder das gemeinschaftliche Testament aushöhlen wollte.

Praxisbeispiel: Oldtimer verschenken

Sie schenken Ihrem Bekannten wegen Ihrer guten Laune und weil Sie über Ihre Kinder verärgert sind, einen wertvollen Oldtimer. Der Bekannte fährt das Auto gegen den Baum. Ersatz gibt es nicht. Nach Ihrem Tod fordern die Erben das Auto zurück. Der Bekannte braucht das Auto nicht zurückzugeben, weil er gutgläubig war und das Auto nicht mehr existiert und er auch keinen Wertersatz dafür erhalten hat. Er ist nicht mehr bereichert, er ist entreichert. Anders wäre es, wenn der Bekannte Kenntnis gehabt hätte, dass Sie sich erbvertraglich verpflichtet hatten.

Belohnende Schenkung für Pflege gut vorbereiten

Sind Sie durch einen Erbvertrag oder ein gemeinschaftliches Testament vertraglich festgelegt und möchten zu Lebzeiten Vermögenswerte verschenken, sollten Sie sich rechtzeitig über mögliche spätere Rückforderungsansprüche Ihrer Erben informieren. Es empfiehlt sich, dass Sie im Schenkungsvertrag für die belohnende Schenkung für Ihre Pflege entsprechende Sicherungen einbauen.

Sie sollten unbedingt die Gründe benennen, warum Sie die Schenkung betätigen. Werden Sie von der beschenkten Person im Fall des Falles gepflegt und betreut, lässt sich das lebzeitige Eigeninteresse normalerweise gut begründen. Es sollte aber im Detail dargestellt werden. Sie vermeiden damit das Risiko, dass sich die beschenkte Person nach Ihrem Ableben mit den Erben wegen Ihrer Schenkung streitig auseinandersetzen muss. Das benannte Urteil des Landgerichts Koblenz ist hierfür ein beredtes Beispiel.

Gibt es seine Ausgleichungspflicht bei Betreuung und Pflege?

Das Gesetz bietet noch eine weitere Sicherung. Ein Kind, dass durch Mitarbeit im

  • Haushalt,
  • Beruf oder
  • Geschäft des Erblassers

während längerer Zeit durch erhebliche Geldleistungen oder in anderer Weise in besonderem Maße dazu beigetragen hat, dass das Vermögen des Erblassers erhalten oder vermehrt wurde, kann bei der Auseinandersetzung nach dem Tod des Erblassers eine Ausgleichung unter seinen Geschwisterteilen verlangen, die mit ihm als gesetzliche Erben zur Erbfolge gelangen.

Dies gilt insbesondere auch für ein Kind, das den Erblasser während längerer Zeit gepflegt hat (§ 2057a BGB). Bei der Auseinandersetzung wird der Ausgleichungsbetrag dem Erbteil des ausgleichungsberechtigten Miterben hinzugerechnet.

Alles in allem

Sind Sie in einem Erbvertrag oder in einem gemeinschaftlichen Testament vertraglich gebunden, sollten Sie Ihre Verpflichtungen unbedingt ernst nehmen. Haben sich die Umstände nach dem Tod des Partners verändert, sollten Sie sich informieren und beraten lassen, ob und inwieweit Sie andere Wege gehen können. Soweit Sie nach eigenem Ermessen vorgehen, riskieren Sie, dass Sie die beschenkte Person und Ihre Erben in eine Auseinandersetzung hineintreiben, die wahrscheinlich nicht in Ihrem Sinne liegt.