Unklarheit wegen mehrerer Testamente

Hinterlässt ein Erblasser mehrere Testamente, streiten sich Erben, wer wirklich Erbe ist. Es bleibt dann zu klären, welches Testament den letzten Willen des Erblassers wiedergibt und das gültige Testament ist. Es kann jederzeit ein neues Testament verfasst werden. Zweckmäßigerweise widerruft der Erblasser das frühere Testament und erklärt in seinem neuen Testament ausdrücklich, dass jede frühere letztwillige Verfügung ungültig sein soll. Genau daran fehlt es in der Praxis oft. Hinterlässt der Erblasser nämlich mehrere Testamente, ist oft nicht klar, welches Testament gültig und wer Erbe sein soll. Es ist dann Aufgabe der Gerichte, Klarheit zu schaffen. Das Gesetz enthält hierzu eine Reihe von Vorgaben.

Kurzfassung – alles auf einem Blick

  • Ein Erblasser kann sein Testament jederzeit aus freien Stücken widerrufen. Der Widerruf erfolgt, indem der Erblasser ein neues Testament formuliert.
  • Gibt es mehrere Testamente, bestimmt sich die Erbfolge nach dem jüngeren Testament. Insoweit kommt es entscheidend auf das Datum der Testamente an.
  • Hat der Erblasser mehrere Testamente ohne Datumsangaben verfasst, ist es eine Frage der Beweisführung, welches Testament das jüngere Testament darstellt.

Der Erblasser ist verstorben – Was nun?

Verstirbt ein Mensch (Erblasser), tritt die gesetzliche Erbfolge ein, es sei denn, der Erblasser hat eine letztwillige Verfügung von Todes wegen hinterlassen. Letztwillige Verfügungen von Todes wegen sind Testamente und Erbverträge. Ein Testament kann auch als gemeinschaftliches Testament (Berliner Testament) unter Ehepartnern verfasst werden. Gegenstand dieses Ratgebers ist ausschließlich die Situation, dass der Erblasser mehrere Testamente verfasst hat.

Jeder, der im Nachlass des Erblassers ein Testament vorfindet, ist gesetzlich verpflichtet, das Testament an das Nachlassgericht abzuliefern (§ 2259 BGB). Wer dies nicht tut, macht sich der Urkundenunterdrückung strafbar. Entsteht der Person dadurch ein wirtschaftlicher Vorteil, kommt auch Betrug kommt in Betracht.

Hat der Erblasser das Testament beim Notar errichtet oder selbst beim Nachlassgericht hinterlegt, erfährt das Nachlassgericht von Amts wegen, dass der Erblasser verstorben ist und informiert die in Betracht kommenden Erben, unabhängig davon, ob diese gesetzliche oder testamentarisch bestimmte Erben sind.

Welches Testament gilt, wenn mehrere vorhanden sind?

Es bleibt dem Erblasser überlassen, seine Erbfolge jederzeit seinen Vorstellungen anzupassen. Im Idealfall äußert der Erblasser sich in seinem Testament so konkret, dass seine Vorstellungen nach seinem Ableben unmissverständlich aus der Urkunde entnommen werden können. Ist das Testament unklar formuliert oder gibt es gibt es mehrere Testamente, muss das Gesetz regeln, welcher von mehreren in Betracht kommenden Erben tatsächlich Erbe sein soll. Diese Problematik des täglichen Lebens stellt in der anwaltlichen und der gerichtlichen Praxis immer wieder eine enorme Herausforderung dar.

Praxisbeispiele

Der kinderlose und nichtverheiratete Hans Müller will vermeiden, dass seine Geschwister Josef und Clara ihn beerben. Er enterbt die Geschwister mit folgendem Testament:

Beispiel 1: Einen Alleinerben benennen

Mein letzter Wille

Ich, Hans Müller, setze zu meinem Alleinerben meinen Neffen, Fred Dorsten, ein. Hamburg, den 1. April 2020. Unterschrift Hans Müller.

Beispiel 2: Es gibt einen neuen Alleinerben

Da sich Fred Dorsten trotz seiner Beteuerungen nicht für Hans Müller interessiert und sich Hans Müller mit seinem Bruder Josef wieder ausgezeichnet verträgt, entschließt er sich, den Bruder Josef als Erben einzusetzen. Dabei vergisst er, dass er bereits ein Testament zu Gunsten seines Neffen Fred Dorsten errichtet hat und verfasst ein neues Testament:

Mein letzter Wille

Ich, Hans Müller, setze meinen Bruder Josef Müller zu meinem Alleinerben ein. Hamburg, den 25. Mai 2021. Unterschrift Hans Müller.

Stirbt Hans Müller, stellt sich die Frage, wer erbt. Sowohl Fred Dorsten ist im Besitz eines Testamentes als auch der Bruder Josef Müller. Da es nicht zwei Alleinerben geben kann, kann die Konsequenz nur lauten, dass das spätere Testament Gültigkeit hat. Schließlich entspricht nur das spätere Testament dem letzten Willen des Erblassers. Das frühere Testament zugunsten Fred Dorsten gilt mit dem späteren Testament zu Gunsten von Josef Müller als widerrufen. Josef Müller wird Alleinerbe. Das Beispiel zeigt, dass es entscheidend darauf ankommt, mit der Angabe eines Datums im Testament klarzustellen, welches Testament Geltung haben soll. Idealerweise hätte Hans Müller im späteren Testament natürlich erklären sollen, dass er das frühere Testament zugunsten seines Neffen Fred Dorsten widerruft.

Beispiel 3: Erben unter Bedingungen

Noch schwieriger wird es, wenn der Erblasser ein drittes Testament formuliert und darin beispielsweise bestimmt, dass sein Neffe Fred Dorsten nur Erbe wird, wenn er ihn bis zu seinem Ableben zu seiner Zufriedenstellung pflegt und sich um ihn kümmert. Sollte dies nicht der Fall sein, will Hans Müller von seinem Bruder Josef Miller beerbt werden.

Diese drei beispielhaften Formulierungen bringen zwar zum Ausdruck, was der Erblasser ungefähr wollte. Problematisch ist aber, dass im Nachhinein geprüft werden müsste, ob der Neffe Fred Dorsten den Erblasser tatsächlich nach dessen Vorstellungen gepflegt hat. Fred Dorsten wird diese Voraussetzung im eigenen Interesse sicherlich bestätigen, während der Bruder als Erbe im zweiten Testament diese Voraussetzungen bezweifeln wird. Da es kaum möglich ist, hier Klarheit zu schaffen, riskiert der Erblasser, dass alle Testamente unwirksam sind und die gesetzliche Erbfolge eintritt.

Gut zu wissen:

Die testamentarische Anordnung des Erblassers, dass erben solle, „wer sich bis zu meinem Tod um mich kümmert“, verstößt gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. Sie ist nicht geeignet, die Erbfolge zu regeln. Eine solche Anordnung führt dazu, dass das gesamte Testament nichtig ist (OLG München, Az. 31 Wx 55/13).

Welche Grundsätze gelten, um Unklarheiten wegen mehrerer Testamente zu klären?

Gibt es nach dem Ableben des Erblassers mehrere Testamente, empfiehlt sich für Erben und vermeintliche Erben, die rechtliche Beurteilung nach folgenden Grundsätzen vorzunehmen.

Änderungen jederzeit möglich

§ 2253 BGB bestimmt, dass der Erblasser ein Testament sowie eine einzelne in einem Testament enthaltene Verfügung jederzeit widerrufen kann. Dafür bedarf es keiner Angabe von Gründen.

Expertentipp:

Bestehen Zweifel, ob der Erblasser ein Testament eigenhändig verfasst hat, müssen diese durch ein schriftvergleichendes Gutachten geklärt werden. Gerade dann, wenn ein angeblicher Widerruf vorliegt, der das frühere Testament hinfällig macht, können Zweifel angebracht sein. Oft erweisen sich diese Zweifel als unbegründet, wenn der Erblasser den Text aufgrund seines fortgeschrittenen Alters mit einer altersbedingt veränderten Handschrift verfasst hat.

Altes Testament durch neues Testament widerrufen

Der Widerruf erfolgt durch ein neues Testament (§ 2254 BGB). Es bleibt dem Erblasser überlassen, dass neue Testament als privatschriftliches Testament zu errichten oder ein notarielles Testament zu beurkunden. Widerruft der Erblasser das spätere Testament, ist im Zweifel das frühere Testament wieder in gleicher Weise wirksam, so als wenn es nicht aufgehoben worden wäre (§ 2258 Abs. II BGB). Es genügt, wenn der Erblasser ausschließlich den Widerruf des früheren Testamentes erklärt. Er ist nicht verpflichtet, im Text eine neue Verfügung zu treffen. Es reicht allein der Widerruf. Trifft er keine neue Verfügung, tritt die gesetzliche Erbfolge ein.

Praxisbeispiel:

Mein letzter Wille

Ich, Hans Müller, widerrufe hiermit mein am 20. Mai 2018 errichtetes Testament. Ort, Datum, Unterschrift Hans Müller.

Idealerweise erklärt der Erblasser in dem neuen Testament, dass er vorsorglich sämtliche zuvor errichteten Testamente durch das aktuelle Testament widerruft. Dann stellt er ausdrücklich klar, dass nur noch das aktuelle und zuletzt verfasste Testament seinem letzten Willen entspricht und das wirksame Testament darstellt. Auch das neue Testament setzt voraus, dass der Erblasser das Schriftstück höchstpersönlich verfasst, eigenhändig zu Papier bringt, mit Ort und Datum und mit der Unterschrift versieht. Natürlich muss der Erblasser auch weiterhin testierfähig sein. An seiner Fähigkeit, den Nachlass zu regeln und die Bedeutung seiner Verfügung zu überblicken, darf also kein Zweifel bestehen.

Altes Testament vernichten

Der Widerruf eines bestehenden Testaments kann auch dadurch erfolgen, dass der Erblasser die Testamentsurkunde vernichtet (§ 2255 BGB). Vernichtung bedeutet, dass die Urkunde zerstört wird und in ihrem Bestand physisch nicht mehr vorhanden ist.

Expertentipp:

Wird der Text auf dem Papier nur durchgestrichen oder mit dem Vermerk „ungültig“ versehen, kann im Erbfall immer noch Streit darüber entstehen, ob diese Streichung tatsächlich vom Erblasser stammt oder möglicherweise von einer anderen Person vorgenommen wurde. Wird das Schriftstück in Teile zerrissen, bleibt unklar, ob der Erblasser tätig war oder ein vermeintlicher Erbe seinem Unmut Ausdruck verleihen wollte. Besser ist also immer, das Testament physisch und vor allem vollständig zu vernichten.

Datum und Unterschrift nicht vergessen

Der Erblasser kann sein bestehendes Testament auch korrigieren, ergänzen oder abändern, indem er auf dem Schriftstück selbst seine Worte formuliert. Damit gewährleistet ist, dass diese Änderungen nicht von einer anderen Person vorgenommen wurden, muss der Erblasser seine Korrekturen oder Ergänzungen oder Änderungen mit Datum versehen und mit seinem Vornamen und Zunamen unterschreiben. Noch besser ist es, das Schriftstück physisch zu vernichten und das Testament mit den neuen Vorstellungen vollständig neu zu Papier zu bringen. Sicherheit geht vor.

Sollte es zwei Testamente gleichen Datums geben, kommt es darauf an, welcher Erbe beweisen kann, dass das ihn begünstigende Testament jüngeren Datums und damit das maßgebliche Testament ist. Hierfür kommt auch Zeugenbeweis in Betracht.

Expertentipp:

Hat sich der Erblasser mehrfach geäußert, dass er ein Testament zugunsten einer bestimmten Person mit einem bestimmten Inhalt errichtet habe, genügt allein die mögliche Behauptung des vermeintlichen Erben nicht als Beweis dafür, dass ein Testament dieses Inhalts existiert (OLG Düsseldorf, Az. 3 Wx 134/13). Zwar kann die Existenz eines Testaments durch Zeugenbeweis durchaus nachgewiesen werden, allerdings nur, wenn die Urkunde ohne den Willen und Zutun des Erblassers vernichtet worden, verloren gegangen oder sonst nicht auffindbar ist.

Amtliche Verwahrung beim Gericht

2 Testamente beim Gericht? Hat der Erblasser ein notarielles Testament errichtet, führt die Rücknahme des Testaments aus der amtlichen Verwahrung beim Nachlassgericht automatisch zum Widerruf des Testaments (§ 2256 BGB). Errichtet der Erblasser dann kein neues Testament, gilt wieder die gesetzliche Erbfolge. Es gilt also nicht der Wille, den der Erblasser im notariellen Testament ursprünglich formuliert hat. Sobald er das Papier aus der amtlichen Verwahrung zurücknimmt, wird sein Inhalt unwirksam. Sollte es mehrere notarielle Testamente geben, entscheidet auch hier das jüngere Testament über die Erbfolge.

Befindet sich ein privatschriftlich verfasstes Testament in amtlicher Verwahrung beim Nachlassgericht, stellt die Rücknahme des Testaments keinen Widerruf dar. Das privatschriftlich eigenhändig verfasste Testament bleibt in vollem Umfang wirksam. Die Rücknahme führt also nicht dazu, dass das ursprünglich hinterlegte Testament unwirksam wird.

Der Erblasser ist berechtigt, das beim Nachlassgericht hinterlegte Testament jederzeit ohne Angabe von Gründen aus der amtlichen Verwahrung zurückzunehmen. Das Testament darf aber nur an den Erblasser persönlich übergeben werden (§ 2256 Abs.II BGB). Es bedarf dazu der Vorlage des gerichtlichen Hinterlegungsscheines.

Wille des Verstorbenen

Es ist unerheblich, ob sich der Erblasser bei Abfassung seines späteren Testaments bewusst ist, dass er die zeitlich frühere Verfügung außer Kraft setzt. Entscheidend ist nur, dass der Erblasser einen konkreten Willen zu Papier bringt damit seine aktuellen Vorstellungen äußert.

Existieren mehrere Testamente, deren Inhalt sich widerspricht, ist im Erbfall oft unklar, was der Erblasser eigentlich wollte. Im Zweifel kann es sein, dass dann alle Testamente für unwirksam erklärt werden. Dann tritt die gesetzliche Erbfolge wieder ein. Dass diese Konsequenz nicht unbedingt dem Willen des Erblassers entspricht, hat der Erblasser selbst zu verantworten. Erblasser sollten also bedacht sein, für eindeutige Anordnungen zu sorgen. Insbesondere bei Widerruf, Änderungen oder Ergänzungen sollte im Idealfall immer wieder ein neues Testament zu Papier gebracht werden. Alles andere ist im Erbrecht Risiko.

Zeitpunkt der Erstellung feststellen

Gibt es mehrere Testamente, die der Erblasser ohne Datum verfasst hat, muss gesondert festgestellt werden, welches Testament das frühere und welches das zeitliche spätere ist. Hinterlässt der Erblasser ein Testament, ohne dass er ein Datum über die Zeit der Errichtung angegeben hat und ergeben sich hieraus Zweifel über seine Gültigkeit, so ist das Testament nur wirksam, wenn sich die notwendigen Feststellungen über die Zeit der Errichtung anderweitig treffen lassen (§ 2247 Abs. V BGB). Hilfreich ist, wenn Zeugen eine Aussage darüber treffen können, wann dieses Testament errichtet wurde. Gegebenenfalls muss das Alter beider Urkunden durch die Analyse der verwendeten Tinte auf chemischem Wege bestimmt werden. Auch die Aussage von Zeugen kann Klarheit bringen.

Sonderfall: Ehegattentestament

Besonderheiten gibt es mit beim gemeinschaftlichen Testament unter Ehegatten. Hier kommt es darauf an, ob das Testament wechselseitige Verfügungen enthält, die ein Ehegatte nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen hätte und deshalb nach eigenem Ermessen nicht mehr nachträglich ändern kann.

Der Wortlaut in einem gemeinschaftlichen Testament: „Nach unserer beider Tod soll die gesetzliche Erbfolge in Kraft treten“ enthält jedenfalls keine solche bindende wechselseitige Verfügung. In der Konsequenz kann jeder Ehegatte trotz dieser Regelung weiterhin eigenständig verfügen (so OLG Düsseldorf FamRZ 2021, 1250). Auch hierfür enthält das Gesetz für Zweifelsfälle wieder Auslegungsregeln.

Ausklang – Am Ende wird alles immer gut

Gibt es mehrere Testamente, ist grundsätzlich das jüngste Testament wirksam. Ältere Testamente sind damit hinfällig. Um derartige Schwierigkeiten bei der Beurteilung eines Erbfalls zu vermeiden, ist es eigentlich Aufgabe des Erblassers, seinen letzten Willen ordnungsgemäß zu formulieren und so zu Papier zu bringen, das spätere Streitigkeiten vermieden werden. Auch wenn es an sich einfach ist, ein Testament zu verfassen, zeigen derartige Probleme immer wieder aufs Neue, dass Formalien und die inhaltliche Gestaltung eines Testaments entscheidende Bedeutung haben. Wer als Erblasser sichergehen möchte, sollte auf eine juristische Beratung nicht verzichten.

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Autor:  iurFRIEND-Redaktion

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