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Enterben wegen Straftat

 
 

Tochter oder Sohn enterben, weil sie bzw. er wegen Raubes oder eine andere Straftat verurteilt wurde? Das ist möglich. Sie können sogar noch einen Schritt weitergehen und den gesetzlichen Pflichtteil entziehen. Der Erblasser kann den Abkömmling (Kind, Enkelkind) vollständig enterben. Die Entziehung des Pflichtteils ist aber nur durchzusetzen, wenn der Erblasser in seinem Testament unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass es ihm nicht zuzumuten ist, wenn der Abkömmling Erbe wird. Möchten Sie also einen Abkömmling wegen einer Straftat enterben, sollten Sie genau wissen, auf was es dabei ankommt.

Was sind die Voraussetzungen?

Die Entziehung des Pflichtteils wegen einer Straftat ist in § 2333 Abs. I Nr. 4 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) definiert. Danach kann der Erblasser einem Abkömmling den Pflichtteil entziehen, wenn der Abkömmling

  • wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wird und
  • die Teilhabe des Abkömmlings am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist.

Gleiches gilt, wenn die Unterbringung des Abkömmlings in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt wegen einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat rechtskräftig angeordnet wird.

Abkömmlinge sind die Kinder und Enkelkinder des Erblassers. Es gibt keinen Unterschied zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern, denen adoptierte Kinder gleichgestellt sind. Pflegekinder sind keine gesetzlichen Erben.

Gut zu wissen: Die Entziehung des Pflichtteils ist auch gegenüber den eigenen Elternteilen oder dem Ehegatten möglich (§ 2333 Abs. II BGB).

Wann ist enterben wegen einer Haftstrafe möglich?

Wer in einem Testament einen Wunscherben bestimmt, schließt andere Erben von der gesetzlichen Erbfolge regelmäßig aus. Der so ausgeschlossene gesetzliche Erbe hat dann aber immer noch einen Pflichtteilsanspruch. Der Pflichtteilsanspruch beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und ist normalerweise in Bargeld abzugelten.

Sofern jedoch besondere Gründe vorliegen, darf der Erblasser auch den Pflichtteil entziehen. Die Entziehungsgründe sind im Gesetz erschöpfend aufgezählt. Es handelt sich um besonders schwere Verfehlungen gegen den Erblasser oder Umstände, die es dem Erblasser unzumutbar machen, den Abkömmling als Erben zu akzeptieren. Ein solcher Umstand ist die Verurteilung des Erben zu einer Freiheitsstrafe (Haftstrafe im Gefängnis, Unterbringung in einer Anstalt).

Sohn begeht Raub, Pflichtteil entzogen

In einem Fall des Oberlandesgerichts Oldenburg (Urteil v. 8.7.2020, Az. 3 W 40/20) verlangte der Sohn nach dem Tod der Mutter Auskunft über den Nachlass. Die Eltern hatten ihn in einem gemeinschaftlichen Testament enterbt, weil er wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt worden war. Der Sohn berief sich darauf, dass er nur ein einziges Mal straffällig geworden sei und seine Haftstrafe abgesessen habe. Seine Schuld sei verbüßt. Ihm stehe deshalb wenigstens der Pflichtteil zu. Das Gericht gab den Eltern jedoch Recht. Da sie dem Sohn den Pflichtteil wirksam entzogen hätten, durften sie die Auskunft über den Nachlass verweigern.

Das Gericht stellte klar, dass ein einmaliger, aber schwerwiegender Verstoß gegen eine strafrechtliche Vorschrift genüge. Es spiele keine Rolle, dass der Sohn zum Zeitpunkt der Pflichtteilsentziehung noch nicht rechtskräftig verurteilt war. Entscheidend sei allein, dass der Sohn die Straftat begangen habe und er danach rechtskräftig verurteilt wurde. Ebenso wenig sei es von Belang, dass der Sohn sein Fehlverhalten bereue. Auch Jahrzehnte zurückliegende einmalige Taten genügten für die Pflichtteilsentziehung. Da die Eltern sich im Testament unmissverständlich auf die Verurteilung wegen dieser Straftat bezogen, sei die Entziehung wirksam erfolgt. Außerdem hätten sie ihrem Sohn sein Fehlverhalten nicht verziehen.

Ehepartner Pflichtteil entziehen?

Sind Sie verheiratet, ist der Ehepartner gesetzlicher Erbe. Auch dann kommt die Entziehung des Pflichtteils gegenüber dem Ehepartner in Betracht. Die Entziehung braucht es aber nicht, wenn der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes die Scheidung beantragt oder der Erblasser dem Scheidungsantrag des Partners zugestimmt hatte (§ 2077 BGB). In diesem Fall erlischt das gesetzliche Erbrecht und damit auch das Pflichtteilsrecht des Ehepartners, so dass es auf die Entziehung des Pflichtteils nicht mehr ankommt.

Pflichtteil per Testament entziehen – Was ist zu beachten?

Möchten Sie einem Abkömmling, Elternteil oder Ehegatten, den Pflichtteil entziehen, müssen Sie unbedingt ein Testament verfassen (§ 2336 BGB). Mündliche Erklärungen oder Schriftverkehr mit dem Abkömmling genügen dafür nicht.

Dazu müssen Sie sich auf unverwechselbare konkrete Vorgänge beziehen. Der Grund der Entziehung muss zur Zeit der Errichtung bestehen. Geht es um die Entziehung wegen einer Straftat, muss die Tat zum Zeitpunkt der Errichtung begangen sein. Und muss es dem Erblasser unzumutbar sein, den Erben als gesetzlichen Erben zu akzeptieren. Sofern die Rechtsprechung auch Jahrzehnte zurückliegende einmalige Taten berücksichtigt wissen will, kommt es immer noch darauf an, dass es dem Erblasser tatsächlich nicht zuzumuten ist, den Erben als Erben zu akzeptieren. Sollten Sie sich hierauf berufen wollen, sollten Sie ausdrücklich erklären, worin diese Unzumutbarkeit besteht.

Alle diese Voraussetzungen sollten sich aus dem Testament ergeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes soll es nicht ausreichend sein, wenn die Angaben im Testament zusammen mit außerhalb der Urkunde liegenden Umständen einen Grund ergeben, den Pflichtteil zu entziehen (BGHZ 94, 40). Also: Je genauer Sie diese Voraussetzungen formulieren, desto sicherer lässt sich Ihr Wunsch umsetzen.

Hinzu kommt noch folgender Aspekt: Kommt es zum Rechtsstreit, liegt die Beweislast dafür, dass ein Entziehungsgrund vorliegt, bei demjenigen, der die Entziehung geltend macht (§ 2336 Abs. III BGB). Auch insoweit kommt es auf den Wortlaut eines rechtssicher formulierten Testaments an.

Grund für Enterbung nicht benennen

Geht es in Ihrem Testament nur darum, einen bestimmten Erben zum Erben zu bestimmen und dem gesetzlichen Erben den Pflichtteil zu belassen, empfiehlt sich nicht, die Gründe für die Enterbung im Testament anzugeben. Hierdurch vergrößern sich die Chancen des enterbten Erben, das Testament anzufechten. Treffen nämlich die genannten Gründe nicht vollständig zu, kann der enterbte Erbe geltend machen, der Erblasser sei irrtümlich von falschen Tatsachen ausgegangen. Anders ist es, wenn gleichzeitig auch der Pflichtteil entzogen werden soll. Hier fordert das Gesetz ausdrücklich, dass der Grund für die Entziehung des Pflichtteils in der letzten Verfügung anzugeben ist.

Enterbung gilt nicht für Nachkommen des Enterbten

Wird ein Erbe enterbt, wird er nicht Erbe. Die Enterbung erstreckt sich im Zweifel aber nicht auf die Personen, die dem Enterbten in der gesetzlichen Erbfolge nachfolgen. Will der Erblasser auch die Abkömmlinge des Enterbten von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen, muss er diese gleichfalls enterben. Ob dies im Einzelfall gewollt ist, kann nur durch Auslegung der letztwilligen Verfügung ermittelt werden. Auch insoweit empfehlen sich klare Worte.

Keine Enterbung nach Versöhnung

Hat der Erblasser einem Erben den Pflichtteil entzogen, wird die Entziehung durch Verzeihung hinfällig (§ 2337 BGB). Verzeihung bedeutet, dass der Erblasser aus dem Verhalten des Erben keine Konsequenzen mehr ziehen will und sich wieder versöhnt hat. Diese Verzeihung braucht nicht in einem Testament formuliert zu werden. Sie kann auch in einem tatsächlichen Verhalten begründet sein, durch das der Erblasser zum Ausdruck bringt, dass er die durch die Straftat hervorgerufene Kränkung nicht mehr als solche empfindet (OLG Nürnberg NJW-RR 2012, 1225). Hinweise könnten darin bestehen, dass der Erblasser den Erben finanziell unterstützt, ihn/sie zu Familienfeierlichkeiten eingeladen oder im besten Einvernehmen miteinander gelebt hat und umgegangen ist.

Wann wird man erbunwürdig?

Die Entziehung des Pflichtteils (§ 2333 BGB) ist von der Erbunwürdigkeit (§ 2339 BGB) zu unterscheiden. Die Entziehung des Pflichtteils kommt nämlich nicht mehr oder nicht in Betracht, wenn der Erblasser nicht in der Lage ist, eine letztwillige Verfügung zu verfassen oder von der Straftat des Erben keine Kenntnis erlangt hat. Hier helfen die gesetzlichen Regeln über die Erbunwürdigkeit. Auch hier zählt das Gesetz die Tatbestände auf, nach denen ein an sich erbberechtigter Erbe für erbunwürdig erklärt werden kann.

Um einem Erben den Erbteil wegen Erbunwürdigkeit zu entziehen, kann derjenige, dem der Wegfall des Erben zugutekäme, beim Gericht Anfechtungsklage erheben. Die Anfechtungsklage ist darauf gerichtet, dass der Erbe für erbunwürdig erklärt wird.

Als Gründe für eine Erbunwürdigkeit kommen in Betracht, dass

  • der Erbe den Erblasser getötet oder zu töten versucht hat,
  • den Erblasser gehindert hat, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben oder
  • den Erblasser durch arglistige Täuschung oder Drohung bestimmt hat, eine Verfügung von Todes wegen verrichten oder aufzuheben.

Alles in allem

Die Entziehung des Pflichtteils provoziert manchen Erben, seinen Pflichtteil trotzdem gerichtlich einzufordern. Haben Sie gute Gründe, den Pflichtteil zu entziehen und den Erben zu enterben, sollten Sie Ihr Testament rechtssicher formulieren. Um das damit einhergehende Konfliktpotential einzudämmen, empfiehlt sich, juristische Beratung in Anspruch zu nehmen.