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Erbausschlagung rückgängig machen

 
 

Sind Sie gesetzlicher oder testamentarisch bestimmter Erbe und möchten die Erbschaft nicht annehmen, können Sie die Erbschaft ausschlagen. Grund für eine Ausschlagung ist meist, dass der Erbe glaubt, der Nachlass sei überschuldet und es gebe nichts zu erben. Hüten Sie sich jedoch davor, die Erbschaft voreilig und vor allem spekulativ auszuschlagen. Stellt sich nämlich später heraus, dass doch Nachlasswerte vorhanden sind, können Sie Ihre Ausschlagungserklärung zwar anfechten, werden aber mindestens Schwierigkeiten haben, die Ausschlagung mit Erfolg rückgängig zu machen.

Welche Folgen hat eine Erbausschlagung?

Erbe werden Sie automatisch, wenn Sie gesetzlicher Erbe sind oder vom Erblasser testamentarisch oder per Erbvertrag zum Erben bestimmt wurden. Da Sie nicht verpflichtet sind, die Erbschaft anzunehmen, können Sie die Erbschaft ohne Angaben von Gründen jederzeit ausschlagen. Sie werden dann nicht Erbe. Die Erbschaft fällt danach an diejenige Person, die nach der gesetzlichen Erbfolge an der Reihe ist. Möchten Sie die Erbschaft nicht annehmen, müssen Sie nach Kenntnis vom Erbfall binnen einer Frist von sechs Wochen gegenüber dem Nachlassgericht erklären, dass Sie die Erbschaft ausschlagen. Alternativ können Sie Ihre Ausschlagungserklärung auch notariell beurkunden lassen.

Kann ich eine Erbausschlagung rückgängig machen?

Es kommt häufig vor, dass Erben vorschnell die Ausschlagung erklären, dann aber doch feststellen müssen, dass Nachlasswerte vorhanden sind. In einem typischen Fall des OLG Düsseldorf (FamRZ 2021, 901) schlug ein Sohn die Erbschaft aus, weil er seit Kindheitstagen keinen Kontakt zum Vater hatte und bis zu dessen Tod davon ausgegangen war, dass der Vater aufgrund seiner Alkoholkrankheit vermögenslos und überschuldet sei. Zudem war die Wohnung verwahrlost und der Vermieter forderte Mietrückstände. Nachdem der Sohn die Erbschaft ausgeschlagen hatte, setzte das Nachlassgericht auf Antrag des Vermieters einen Nachlasspfleger ein. Der Nachlasspfleger stellte fest, dass der verstorbene Vater ein Wertpapierdepot von 175.000 EUR hinterlassen hatte. Der Sohn versuchte erfolglos, seine Ausschlagungserklärung anzufechten.

Nach der gesetzlichen Regelung kann die Ausschlagung als solche nicht rückgängig gemacht oder widerrufen werden. Es besteht aber die Möglichkeit der Anfechtung (§ 2054 BGB):

  • Voraussetzung für eine Anfechtung einer Erbausschlagung wegen Irrtum ist, dass der Erbe sich über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses geirrt hat.
  • Die Überschuldung der Erbschaft ist als verkehrswesentliche Eigenschaft anerkannt.
  • Sie berechtigt aber nur dann zur Anfechtung, wenn der Irrtum auf falschen Vorstellungen hinsichtlich der Zusammensetzung des Nachlasses im Hinblick auf dessen Aktiva und Passiva beruhte.
  • Deshalb ist nicht zur Anfechtung berechtigt, wer ohne nähere Kenntnis der Zusammensetzung des Nachlasses einer Fehlvorstellung über dessen Größe unterliegt.

Sind Sie betroffen, könnten Sie sich also nicht auf einen Anfechtungsgrund berufen, wenn Sie nicht aufgrund einer Bewertung der Ihnen bekannten und zugänglichen Fakten zu dem Ergebnis gelangt sind, dass Sie die Erbschaft annehmen oder ausschlagen wollen, sondern Ihre Entscheidung auf spekulativer und bewusst ungesicherter Grundlage getroffen haben (so bereits OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.10.2016, Az. 3 Wx 155/15 in FamRZ 2020, 290).

Wenn Sie nämlich bewusst bestimmte Umstände als lediglich möglich betrachten und sich von diesem Vorstellungsbild leiten lassen, bestimmen Ihre Hoffnungen oder Befürchtungen das Motiv Ihrer Entscheidung. Ein Irrtum im Motiv berechtigt jedoch nicht zur Anfechtung der Ausschlagung einer Erbschaft.

Grund dafür ist auch, dass durch eine zu großzügige Berücksichtigung reiner Motivirrtümer eine vom Gesetz nicht vorgesehene zusätzliche Form der Haftungsbeschränkung eines Erben geschaffen werden würde. Der Erbe könnte nämlich die Erbschaft einstweilig ausschlagen und abwarten, wie sich die Vermögensverhältnisse klären lassen. Ist das Ergebnis positiv, könnte er seine Ausschlagung anfechten. Im Interesse der Rechtssicherheit soll aber genau dieses Szenario vermieden werden (OLG Düsseldorf FamRZ 2021, 901).

Wann berechtigt ein Irrtum zur Anfechtung der Ausschlagung der Erbschaft?

Stellen Sie nach Ihrer Ausschlagung also fest, dass Sie sich nach Prüfung der Verhältnisse über den Wert des Nachlasses geirrt haben, könnten Sie versuchen, Ihre Ausschlagungserklärung anzufechten. Voraussetzung für eine Anfechtung ist, dass Sie sich in einem Erklärungs- oder Inhaltsirrtum befunden haben oder durch Täuschung oder Drohung zur Erklärung veranlasst wurden. Ein bloßer Motivirrtum berechtigt wie beschrieben nicht zur Anfechtung. Die Abgrenzung zwischen einem Inhalts- und Erklärungsirrtum und einem bloßen Motivirrtum ist jedoch oft schwierig.

Praxisbeispiel: Sie haben die Erbschaft ausgeschlagen, weil die zum Nachlass gehörende Immobilie des Erblassers über Maßen mit Grundschulden belastet ist und Sie den Nachlass aufgrund der Sichtung der Unterlagen des Erblassers deshalb für überschuldet halten. Kurze Zeit danach teilt Ihnen die Bank mit, dass die Darlehensverbindlichkeiten durch eine Risikolebensversicherung des Erblassers vollständig abgedeckt sind. Die Immobilie erweist sich also als unbelastet, so dass der Nachlass gerade nicht überschuldet ist. In diesem Fall befanden Sie sich bei der Ausschlagung in einem Irrtum über eine wesentliche Eigenschaft. Sie hielten den Nachlass aufgrund der Gegebenheiten irrtümlich für überschuldet. Sie haben Ihre Entscheidung aufgrund der Ihnen zugänglichen Fakten und keinesfalls spekulativ getroffen. Daher können Sie Ihre Ausschlagungserklärung anfechten. Der Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses ist ein in der Praxis häufig vorkommender Anfechtungsgrund.

Was ist ein unbeachtlicher Motivirrtum?

Anders ist es, wenn Sie falschen Vorstellungen über die Bewertung einzelner Nachlassgegenstände unterliegen und keine Anstrengungen unternommen haben, den Wert des Nachlasses zuverlässig festzustellen. Sie handeln rein spekulativ. Eine solche Entscheidungsfindung berechtigt nicht zur Anfechtung. Es ist davon auszugehen, dass Sie sich nicht über die Zusammensetzung des Nachlasses geirrt haben. Sie haben Ihre Entscheidung bewusst getroffen, hätten aber bei einer sorgfältigen Vorgehensweise anders entscheiden können.

Praxisbeispiel: Der Erblasser hat Ihnen ein abstraktes Gemälde hinterlassen. Das Bild gefällt Ihnen absolut nicht. Sie halten es für wertlos. Sie schlagen die Erbschaft aus. Danach müssen Sie zur Kenntnis nehmen, dass das unscheinbare Bild mindestens 50.000 EUR wert ist. In diesem Fall können Sie die Ausschlagung der Erbschaft nicht anfechten. Sie haben sich nur über den Wert des Bildes geirrt und haben offensichtlich darauf verzichtet, sich Gewissheit über den Wert des Bildes zu verschaffen. Sie haben allzu voreilig und spekulativ eine Entscheidung getroffen, für die Sie geradestehen müssen.

Was sollten Sie tun, wenn Sie die Erbschaft ausschlagen möchten?

Möchten Sie die Erbschaft annehmen oder ausschlagen, sollten Sie genau überlegen, was Sie tun. Im Fall des OLG Düsseldorf (FamRZ 2021, 901) hatte der Sohn gegenüber dem Nachlassgericht leichtfertigerweise erklärt: „Der Wert des Nachlasses ist mir nicht bekannt“. Diese Erklärung war nach seinem eigenen Bekunden inhaltlich richtig. Er habe lediglich Rückschlüsse aus einigen ihm bekannten Lebensumständen des Vaters gezogen, zu denen der fehlende Kontakt, der Zustand der Mietwohnung und die Forderung des Vermieters gehörten. Außerdem habe er gegenüber dem Nachlassgericht erklärt, „da könne nichts sein“, er befürchte die Überschuldung.

Alles in allem

Gerade weil die Feststellung schwierig sein kann, ob ein Irrtum zur Anfechtung berechtigt oder nicht, sollten Sie sich möglichst anwaltlich beraten lassen. Dies gilt auch insoweit, als Sie aufgrund Ihrer Befürchtungen wegen einer potenziell denkbaren Überschuldung die Erbschaft nicht vorbehaltlos annehmen sollten. Nehmen Sie nämlich voreilig die Erbschaft an, haften Sie für eventuell bestehende Verbindlichkeiten des Nachlasses. So oder so: Vermeiden Sie das Risiko.