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Erben nach Adoption

 
 

Sind Sie selbst adoptiert oder sind Sie ein Adoptivelternteil, hält das Erbrecht eine Reihe von Besonderheiten bereit. Denn: Das Verwandtschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern erlischt mit der Adoption. Eine Ausnahme kann aber darin bestehen, dass das adoptierte Kind sowohl den Erbteil seines Adoptivelternteils als auch den Erbteil seiner leiblichen Mutter erben kann. Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte in einem solchen Fall klargestellt, wie sich die erbrechtlichen Verhältnisse darstellen (OLG Frankfurt, Urteil vom 12.1.2022, Az. 21 W 170/21).

Wie war der Sachverhalt?

Die Erblasserin hatte zwei Schwestern. Diese verstarb kinderlos und hinterließ mehrere Nichten und Neffen. Einer der Neffen ist das leibliche Kind einer der Schwestern. Er wurde von der anderen Schwester der Erblasserin adoptiert.

Die leibliche Mutter als auch die Adoptivmutter waren bereits verstorben, als auch die Erblasserin verstarb. Der Neffe beantragte beim Nachlassgericht einen Erbschein. Darin wurde er neben den anderen Nichten und Neffen als Erbe der zuletzt verstorbenen Schwester (Erblasserin) mit ½ Erbteil ausgewiesen. Sein Erbteil setzte sich zu einem Viertel aus dem Erbteil der Adoptivmutter als auch aus einem Viertel aus dem Erbteil der leiblichen Mutter zusammen.

Das Oberlandesgericht Frankfurt wies die Beschwerde, die die übrigen Nichten und Neffen gegen die Erteilung des Erbscheins eingelegt hatten, als unbegründet zurück.

Was erbt der Adoptivsohn?

Das Erbrecht eines Erben richtet sich nicht nur nach der blutsmäßigen, sondern auch nach der rechtlichen Verwandtschaft. Die rechtliche Verwandtschaft begründet sich auch durch die Adoption, bei der eine volljährige Person eine andere Person als eigenes Kind annimmt (§ 1741 BGB).

  • Die Konsequenz besteht darin, dass das minderjährige Kind in die Familie des Adoptivelternteils oder der Adoptiveltern vollumfänglich aufgenommen wird. Das Kind wird mit den Adoptiveltern und seinen Verwandten verwandt (§ 1754 BGB).
  • Das Verwandtschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern und den übrigen Verwandten des Kindes erlischt jedoch (§ 1755 BGB). Das Gesetz will ausschließen, dass ein Kind zwei Elternpaare hat. Die Regelung soll dem Kind helfen, sich familiär zu orientieren und voll in die Familie der Adoptiveltern zu integrieren. Da die leiblichen Eltern in der Regel der Adoption eingestimmt haben, soll es ihnen verwehrt bleiben, künftig auf das Kind Einfluss nehmen zu können.
  • Von dieser Regel sieht das Gesetz aber eine entscheidende Ausnahme vor. Wird nämlich ein minderjähriges Kind von einer Person als Kind angenommen, die mit dem Kind im zweiten oder dritten Grad verwandt ist (z.B., wenn Großeltern, Geschwister, Onkel, Tante das Kind adoptieren), soll es nicht vollständig aus der Familie, zu der es durch Abstammung genetisch gehört, herausgerissen werden. In diesem Fall erlischt das Verwandtschaftsverhältnis nur zu den leiblichen Eltern, nicht aber zu den übrigen Familienmitgliedern (§ 1755 BGB). Diese gesetzliche Regelung wirkte sich im Fall des OLG Frankfurt entscheidend aus.

Der Neffe sei als adoptiertes Kind in die gesetzliche Erbfolge sowohl nach seiner leiblichen Mutter als auch nach der Adoptivmutter eingetreten. Er erhalte daher einen Erbteil von jeweils einem Viertel. Daran ändere nichts der Umstand, dass durch die Adoption die Verwandtschaftsverhältnisse zu den bisherigen genetischen Verwandten (hier zur leiblichen Mutter) zwar erlöschen. Denn davon sehe § 1756 BGB eine Ausnahme vor, sofern der Adoptivelternteil (im Fall die Schwester der Erblasserin) im zweiten oder dritten Grad mit dem Kind verwandt sei.

Für das Verständnis ist wichtig, dass der Neffe die Erblasserin beerbte. Das Verwandtschaftsverhältnis zur Erblasserin bestand erbrechtlich trotz der Adoption durch die Schwester der Erblasserin fort.

Als die leibliche Mutter des Kindes verstorben war, hatte das Kind wegen der Adoption gegenüber der Mutter kein direktes Erbrecht. Sein Verwandtschaftsverhältnis zur leiblichen Mutter war erloschen. Als die Mutter starb, wurde sie von ihrer Schwester, der späteren Erblasserin, beerbt. Insoweit ist das adoptierte Kind allerdings auf diesem Umweg indirekt am Erbteil seiner leiblichen Mutter beteiligt. Es beerbt die Mutter aber nicht direkt mit deren Tod.

Adoptivkind von Erbschaft ausschließen?

Möchten Sie als Adoptivelternteil nicht, dass Ihr Adoptivkind an Ihrem Nachlass teilhat, können Sie in einer testamentarischen Verfügung bestimmen, dass das Adoptivkind nicht Ihr Erbe werden soll. Allerdings bleibt trotzdem der Pflichtteilsanspruch des Adoptivkindes bestehen, so dass es Anspruch darauf hat, in Form von Bargeld aus dem Nachlass bedient zu werden. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.

Erben von den leiblichen Eltern nach Adoption?

Wird ein Kind adoptiert, ist es ausschließlich mit den Adoptiveltern rechtlich verwandt. Deshalb beerbt es auch seine Adoptiveltern. Es wird durch die Adoption in den Familienverbund der Adoptiveltern aufgenommen. Dadurch ist es auch mit den übrigen Verwandten der Adoptiveltern verwandt. Ein Adoptivkind steht den leiblichen Kindern der Adoptiveltern rechtlich vollständig gleich. Es erbt in gleicher Art und Weise wie die leiblichen Kinder.

Da das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes zu den leiblichen Eltern erlischt, hat es keinerlei Erbansprüche, wenn einer seiner leiblichen Eltern verstirbt. Eine Ausnahme begründet das Gesetz allerdings dann, wenn das Kind mit den Adoptiveltern im zweiten oder dritten Grad verwandt ist.

Volljähriges Adoptivkind

Eine Besonderheit bei der Adoption besteht darin, dass die Adoption eines minderjährigen Kindes von der Adoption einer volljährigen Person zu unterscheiden ist. Das Verwandtschaftsverhältnis beschränkt sich bei der Adoption einer volljährigen Person ausschließlich auf den Adoptivelternteil und wird nicht auf dessen Verwandte übertragen (§ 1770 BGB). Eine wichtige Konsequenz ergibt zusätzlich daraus, dass der Adoptivelternteil dem Adoptivkind und dessen Abkömmlingen vor deren leiblichen Verwandten zur Gewährung von Unterhalt verpflichtet ist (§ 1770 BGB).

Die volljährige Person beerbt nur den Adoptivelternteil, hat aber kein Erbrecht, wenn Angehörige des Adoptivelternteils versterben. Zugleich bleibt aber das durch die Abstammung begründete Verwandtschaftsverhältnis fortbestehen (§ 1770 Abs. II BGB). Stirbt der leibliche Elternteil des adoptierten volljährigen Kindes, behält das volljährige Kind gegenüber seinen leiblichen Eltern und möglicherweise anderen leiblichen Verwandten sein gesetzliches Erbrecht. Das volljährige adoptierte Kind erbt also doppelt.

Alles in allem

Das Erbrecht ist eine komplexe Materie. Sollten Sie sich mit dem Gedanken einer Adoption tragen oder ein Adoptivkind aus Ihrer Erbfolge ausschließen wollen, sollten Sie sich unbedingt anwaltlich beraten lassen. Der Vorteil des Erbrechts besteht gerade darin, schwierige Familienverhältnisse in einem Testament oder in einem Erbvertrag individuell zu regeln und es nicht unbedingt auf die gesetzlichen Regelungen ankommen zu lassen.