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Exhumierung zur Vaterschaftsfeststellung

 
 

Ist der vermeintlich leibliche Vater verstorben, muss die Frage der Vaterschaft nicht für immer ungeklärt bleiben. Es ist möglich, die Exhumierung des Verstorbenen anordnen zu lassen, damit die notwendige Untersuchung zur Feststellung des biologischen Vaters durchgeführt werden kann. Was sind die Voraussetzungen? Können Angehörige die Exhumierung verweigern? Diese und weitere Fragen klären wir im Folgenden Beitrag.

Exhumierung - was genau ist das?

Ist ein Leichnam bestattet, gilt die Totenruhe. Aus bestimmten Gründen kann ein Gericht oder die Staatsanwaltschaft aber anordnen, dass das Grab geöffnet und der darin bestattete Leichnam freigelegt wird. Der Leichnam wird exhumiert. Auch die Exhumierung zur Vaterschaftsfeststellung kann nur durch ein Gericht angeordnet werden.

Gut zu wissen: Die Störung der Totenruhe ist strafbar (§ 168 Strafgesetzbuch (StGB)). Wer unbefugt aus dem Gewahrsam der Angehörigen den Körper eines verstorbenen Menschen wegnimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Ebenso wird bestraft, wer eine Beisetzungsstätte zerstört oder beschädigt. Bereits der Versuch ist strafbar.

Welche Gründe rechtfertigen eine Exhumierung?

Um eine Exhumierung zu beantragen, braucht es gewichtige Gründe:

  • Meist geht es um den Wunsch von Angehörigen, einen Verstorbenen an einem anderen Ort beisetzen zu lassen oder Familienangehörige in einer gemeinsamen Grabstelle zusammenzuführen.
  • Besteht der Verdacht, dass der Verstorbene eines nicht natürlichen Todes gestorben ist, können die Justizbehörden zur Beweissicherung die Exhumierung beantragen.
  • Ein gewichtiger Grund zur Rechtfertigung einer Exhumierung kann aber auch der Wunsch sein, feststellen zu lassen, ob der Verstorbene der leibliche Vater oder die Verstorbene die leibliche Mutter eines Kindes ist.

Exhumierung im Abstammungsverfahren

Die Vaterschaftsfeststellung ist ein „Verfahren in Abstammungssachen“. Antragsberechtigt sind der Mann, der seine Vaterschaft festgestellt haben möchte, das Kind sowie die Mutter. Ziel des Antrags ist die Feststellung, dass ein Mann der biologische Vater des Kindes sei.

DNA-Analyse zur Feststellung der Vaterschaft

Das Abstimmungsverfahren ist gesetzlich geregelt und der Disposition der Beteiligten weitgehend entzogen. Vielmehr hat das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und dazu alle Beweismittel auszuschöpfen, die eine Aufklärung versprechen. Früher wurden vornehmlich ein Blutgruppengutachten verwendet. Die DNA-Analyse geht über den serologischen Beweis hinaus, weil DNA auch aus fast jeder anderen Körpersubstanz als Blut entnommen werden kann. Sie beruht auf Wahrscheinlichkeitsaussagen, die zu sehr aussagefähigen Feststellungen führen. Der Vorteil der DNA-Analyse liegt darin, dass die Vaterschaftswahrscheinlichkeit auch dann berechnet werden kann, wenn der potentielle Vater nicht auffindbar ist. In diesem Fall kann auch von dessen Eltern oder Geschwistern Untersuchungsmaterial herangezogen werden.

Untersuchung verweigern?

§ 178 FamFG begründet deshalb ausdrücklich die Pflicht, dass jede Person Untersuchungen, insbesondere die Entnahme von Blutproben, zu dulden hat, soweit die Untersuchung zur Feststellung der Abstammung erforderlich ist. Nahe Angehörige (mit Ausnahme der Eltern) haben jedoch, wenn sie sich ausdrücklich darauf berufen, ein Zeugnisverweigerungsrecht. Daraus ergibt sich, dass das Gericht auf Antrag eines Kindes dessen vermeintlichen Vater auffordern kann, eine DNA-Probe zur Feststellung abzugeben, ob er der biologische Vater ist oder nicht. Ist der vermeintlich biologische Vater aber verstorben, kann die DNA-Probe nur entnommen werden, wenn der Leichnam exhumiert wird.

Postmortales Persönlichkeitsrecht vs. Feststellung der Vaterschaft

Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 20.10.2014, Az. XII ZB 20/14) hat dazu klargestellt, dass das postmortale Persönlichkeitsrecht einer verstorbenen Person im Fall einer für die Feststellung der Vaterschaft erforderlichen Untersuchung und die damit einhergehende Exhumierung regelmäßig hinter das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstimmung zurücktreten muss. Diese Entscheidung darf aber nicht blind auf jeden Wunsch übertragen werden, zur Vaterschaftsfeststellung einen Leichnam exhumieren zu lassen. Vielmehr kommt es immer auf die Details des Einzelfalls als.

Eine Frau (Jahrgang 1944) behauptete, der in 2011 verstorbene X sei ihr biologischer Vater und beantragte ein Verfahren zur Vaterschaftsfeststellung. Das Familiengericht erkannte an, dass ihr Antrag auf Vaterschaftsfeststellung nicht ins Blaue hinein gestellt sei. Die Frau behauptete, ihre Mutter habe mit X während der Empfängniszeit Geschlechtsverkehr gehabt. Sie habe ihr an ihrem 18. Geburtstag offenbart, dass ihr Ehemann (rechtlicher Vater des Kindes) nicht der leibliche Vater sei. Vielmehr stamme sie von X ab. Die Frau untermauerte ihre Behauptung damit,

  • dass die Mutter sie in den Nachkriegsjahren wiederholt zu der Familie des X in Westdeutschland habe reisen lassen und sie viel Zeit bei der Mutter und der Schwester des potenziell leiblichen Vaters verbracht habe.
  • Die Frau habe anschaulich geschildert, wie sie bei ihren Besuchen von ihrer vermeintlich leiblichen Oma verwöhnt worden sei.
  • Die Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft dokumentiere sich zudem darin, dass die Frau sich mit dem vermeintlichen Vater in einem Hotel getroffen habe und dieser als selbstverständlich davon ausgegangen sei, ihr Vater zu sein.

Ihre Schilderung habe eine ganze Reihe atmosphärisch stimmiger Einzelheiten beinhaltet, so dass es sehr unwahrscheinlich sei, dass die Frau diese erfunden habe. Aufgrund dieses Sachvortrags sah sich das Familiengericht veranlasst, im Rahmen eines Beweisbeschlusses die Exhumierung des X anzuordnen und ein DNA-Abstammungsgutachten erstellen zu lassen.

Gut zu wissen: Insoweit hatte bereits das OLG München (FamRZ 2001, 127, gleichfalls OLG Nürnberg FamRZ 2005, 728) festgestellt, dass die Exhumierung für eine DNA-Analyse zur Vaterschaftsfeststellung den Angehörigen zumutbar sein. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Antragsteller jahrzehntelang zugewartet hatte, bevor er die Vaterschaftsfeststellung beantragte (OLG München FamRZ 2012, 599). Es gibt insoweit keine Frist (OLG Karlsruhe NZFam  2017, 414). Auch die Wahrung des Familienfriedens führe nicht zur Unzumutbarkeit (OLG Nürnberg FamRZ 1996, 1155). Soweit die zu untersuchende Person als biologischer Vater in Betracht kommt, sind auch die finanziellen Folgen durch Unterhaltsansprüche und Ähnliches kein Grund, die Exhumierung nicht anzuordnen (OLG Frankfurt NJW 1979, 1257).

Können Angehörige die Abgabe eigener DNA-Proben verweigern?

Die Exhumierung wäre nicht notwendig gewesen, wenn im zuvor geschilderten Fall der eheliche Sohn des X eigenes DNA-Material zur Verfügung gestellt hätte. Dieses lehnte der Sohn jedoch ab. Er verweigerte auch die Exhumierung. Nach der gesetzlichen Regelung war der Sohn jedoch nicht verpflichtet, in eine DNA-Untersuchung einzuwilligen und eigenes Genmaterial zur Verfügung zu stellen. Grund ist, dass § 178 FamFG, der jede Person zur Duldung der Untersuchung verpflichtet, bestimmten Personen zugleich ein Zeugnisverweigerungsrecht zugesteht. Danach darf eine Person, die mit einem Beteiligten in gerader Linie (Kind – Großelternteil) oder in der Seitenlinie (Geschwisterteil) verwandt ist, das Zeugnis und damit die DNA-Probe verweigern. Der Sohn konnte aber nicht verhindern, dass der Leichnam exhumiert wurde. Der Bundesgerichtshof stellte insoweit klar, dass das postmortale Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen gegenüber dem Wunsch der Antragstellerin auf Vaterschaftsfeststellung nachrangig sei.

Die neu in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügte Vorschrift des § 1598a BGB begründet zwar einen Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung. Zur Klärung der leiblichen Abstammung des Kindes können aber nur die direkt Beteiligten, also Vater, Mutter und Kind verlangen, dass diese in eine genetische Abstammungsuntersuchung einwilligen und die Entnahme einer für die Untersuchung geeigneten genetischen Probe dulden. Verwandte oder sonstige Angehörige sind danach nicht verpflichtet. Im Fall hätte der Sohn auch nach dieser Vorschrift nicht in die Untersuchung einzuwilligen brauchen.

Hierbei dürfte auch das Persönlichkeitsrecht des Sohnes eine Rolle spielen. Für ihn bestünde das Risiko, dass seine DNA-Probe das Ergebnis hat, dass der vermeintliche biologische Vater in Wirklichkeit gar nicht sein biologischer Vater ist. Für den Sohn hätte dies den Zusammenbruch seines Familienbildes zur Folge haben können.

Erbrecht nach Vaterschaftsfeststellung

Grund, dass Angehörige die Abgabe eigener DNA-Proben verweigern, dürften regelmäßig auch erbrechtliche Ansprüche sein. Da im zuvor geschilderten Fall der vermeintliche Vater X auch tatsächlich der biologische Vater der Frau war, war die Frau auch erbrechtlich zu berücksichtigen. Als nichteheliches Kind hatte sie ein gleichberechtigtes Erbrecht wie der eheliche Sohn. Sofern der Vater X in seinem Testament den Sohn als alleinigen Erben eingesetzt haben sollte, stünde der Frau immer noch ein Pflichtteilsrecht zu, so dass die Frau den Sohn des X auch nachträglich noch hätte in Anspruch nehmen können.

Vaterschaftsfeststellung und Kindesunterhalt

Ist das Vaterschaftsfeststellungsverfahren eingeleitet, kann bei demselben Familiengericht die Verpflichtung zur Zahlung des Mindestunterhalts des minderjährigen Kindes beantragt werden. Der sich so ergebende Unterhaltsbeschluss wird allerdings erst wirksam, wenn das Abstimmungsverfahren ein positives Ende gefunden hat (§ 237 FamFG).

Welche Kosten entstehen bei einer Exhumierung?

Die Kosten einer Exhumierung sind in die Gebührensatzungen der Friedhöfe der Gemeinden bestimmt. Da es sich dabei regelmäßig um ein Sarggrab handelt, müssen Sie mit Kosten von ca. 1000 EUR - 3000 EUR rechnen. Hinzu kommt, dass der Leichnam nach der Exhumierung erneut beigesetzt werden muss.

Was ist, wenn die Vaterschaftsfeststellung misslingt?

Lässt sich die biologische Vaterschaft eines Mannes trotz DNA-Analyse nicht zweifelsfrei feststellen, ist nach § 1600d Abs. II BGB zu vermuten, dass derjenige Mann biologischer Vater ist, der der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt hat. Die Empfängniszeit wird schematisch bestimmt. Sie läuft vom 300. bis zum 181. Tag vor der Geburt des Kindes, sofern nicht im Einzelfall ein abweichender Zeitraum nachgewiesen wird.

Die Beiwohnung muss dem als Vater in Anspruch genommenen Mann allerdings nachgewiesen werden. Lebten der vermeintliche Vater und die Mutter während der Empfängniszeit zusammen, so spricht der erste Anschein für eine Beiwohnung (BGHZ 40, 371). Die Vermutung der Vaterschaft kann genau wie bei der Anfechtung der Vaterschaft widerlegt werden, soweit diese offenbar unmöglich gewesen sein muss oder wenn von vornherein schwerwiegende Zweifel an der Vaterschaft verbleiben. Hatte die Mutter erwiesenermaßen mit mehreren Männern verkehrt, sind allein dadurch bereits ernstliche Zweifel begründet.

Alles in allem

Abstammungssachen sind oft schwierige, emotional bewegende und komplexe Verfahren. Da Sie als Beteiligter eines solchen Verfahrens nur sehr eingeschränkte Einflussmöglichkeiten auf den Ablauf des Verfahrens haben, sollten Sie möglichst nicht nach eigenem Ermessen handeln. Es empfiehlt sich dringend, dass Sie sich frühzeitig anwaltlich kompetent beraten und möglichst auch im Verfahren anwaltlich vertreten lassen.