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Wertermittlung einer geerbten Immobilie

 
 

Gut 51,1 Prozent der Bundesbürger wohnten in 2018 im Eigenheim (Quelle: Eurostat). Der Immobilienmarkt erlebt daher eine zunehmend stärkere Erbengeneration. Denn: Immobilien, die weder als zu großer, nicht altersgerechter Wohnraum verkauft noch zugunsten der Altersversorge liquidiert werden, gehen als Nachlass auf einen Alleinerben oder eine Erbengemeinschaft über. Diese stehen dann vor der Aufgabe, den Wert einer geerbten Immobilie zu ermitteln.

Warum kommt es auf die Wertermittlung einer geerbten Immobilie an?

Der Wert einer Immobilie spielt dann eine Rolle, wenn Sie

  • sich als neuen Eigentümer im Grundbuch eintragen lassen wollen und zu diesem Zweck einen Erbschein beantragen,
  • die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft betreiben oder
  • prüfen, ob Sie für Ihren Erbteil Erbschaftsteuern zahlen müssen.

Wie ermittelt das Nachlassgericht den Wert einer Immobilie?

Sind Sie gesetzlicher Erbe oder hat der Erblasser nur ein privatschriftliches Testament hinterlassen, benötigen Sie einen Erbschein, um sich im Grundbuch als neuen Eigentümer der Immobilie eintragen zu lassen. Das Nachlassgericht erstellt den Erbschein nur auf Antrag. Die Gebühren für einen Erbschein richten sich nach dem Wert, den der Gegenstand des Geschäfts im Zeitpunkt des Erbfalls hat (Geschäftswert nach § 3 Gerichts- und Notarkostengesetz - GNotKG).

Dazu müssen Sie in einem vom Nachlassgericht übersandten Fragebogen detaillierte Angaben zum Wert des Nachlasses insgesamt machen und auch den Wert einer im Nachlass befindlichen Immobilie benennen. Dabei vertraut das Nachlassgericht weitgehend Ihren Angaben. Schließlich sind Sie gesetzlich verpflichtet, bei der Wertermittlung mitzuwirken und haben Ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und wahrheitsgemäß abzugeben. Hat das Nachlassgericht begründete Zweifel, kann es allerdings den Wert nach billigem Ermessen bestimmen (§ 95 GNotKG).

Der Wert eines Grundstücks bemisst sich grundsätzlich nach dem „Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit der Sache unter Berücksichtigung aller den Preis beeinflussenden Umstände bei einer Veräußerung zu erzielen wäre“ (§ 46 Abs. I GNotKG). Dieser Wert ist der Verkehrswert.

Wie ermittelt das Gericht den Verkehrswert?

Steht der Verkehrswert nicht fest, erlaubt das Gesetz auch die Bestimmung nach den Angaben der Beteiligten (§ 46 Abs. II GNotKG). Solange Sie mit Ihrer Wertangabe den Bogen nicht überspannen, wird das Nachlassgericht Ihre Angaben zum Wert der Immobilie der Wertermittlung zugrunde liegen.

Vorteilhaft ist, wenn Sie zugleich mitteilen, auf welcher Grundlage Sie den benannten Immobilienwert ermittelt haben. Hilfreich können auch die von der Feuerversicherung zugrunde gelegten Brandversicherungswerte seien oder ein nach dem aktuellen Baupreisindex ermittelter Wert. Eine förmliche Beweisaufnahme zur Feststellung des Verkehrswertes durch das Nachlassgericht findet jedoch nicht statt (§ 46 Abs. IV GNotKG).

Da für den vom Finanzamt zur Bestimmung der Grundsteuern festgesetzten Einheitswert und den Verkehrswert jeweils unterschiedliche Faktoren eine Rolle spielen und verschiedene Berechnungsverfahren genutzt werden, ist die Ermittlung des Verkehrswertes aus dem Einheitswert nicht möglich.

Praxistipp: Das Gesetz gibt Ihnen also eine Reihe von Ansatzpunkten an die Hand, nach denen Sie die Wertermittlung einer Immobilie vornehmen können. Je nachdem, wie Sie diese Ansatzpunkte nutzen, können Sie einerseits Ihrer gesetzlich begründeten Wahrheitspflicht genügen, auf der anderen Seite aber vermeiden, dass die Kosten für den benötigten Erbschein in die Höhe schießen.

Welche Rolle spielen Belastungen auf der Immobilie?

Der Verkehrswert einer Immobilie bestimmt sich natürlich auch nach den Belastungen. Insoweit erlaubt das Gesetz, dass Sie zur Bestimmung des Verkehrswerts eines Grundstückes auch die im Grundbuch eingetragenen Belastungen (noch valutierende Grundschulden, Hypotheken) oder die zum Zwecke der Steuererhebung festgesetzten Werte zur Beurteilung des Verkehrswertes heranziehen (§ 46 Abs. III GNotKG).

Wie ermitteln Sie den Wert einer Immobilie?

Die Bewertung von Grundbesitz ist gesetzlich geregelt. In Abhängigkeit von der Art des Grundvermögens erfolgt die Bewertung nach verschiedenen Bewertungsverfahren. Daraus ergeben sich folgende Orientierungsansätze:

  • Unbebautes Grundstück: Unbebaute Grundstücke werfen keinen Ertrag ab. Deshalb sollten Sie auf die Bodenrichtwerte des kommunalen Gutachterausschusses zurückgreifen, in dessen Bezirk das Grundstück gelegen ist. Der Richtwert pro Quadratmeter wird mit der Grundstücksgröße multipliziert. Nach diesem Verfahren können auch Grundstücke ohne nutzbare Gebäude bewertet werden. Einen Auszug aus der Bodenrichtwertkarte erhalten Sie bei Ihrem zuständigen Katasteramt oder fordern diese Information online über die Internetseite des Katasteramtes an.
  • Eigenheim, Wohnungseigentum: Eigenheime sind Immobilien, die eine oder zwei Wohnungen umfassen und überwiegend, das heißt zu mehr als 50 % zu Wohnzwecken genutzt werden. Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer Wohnung, verbunden mit dem Miteigentumsanteil am Gemeinschaftseigentum.

Zur Wertermittlung können Sie auf örtliche Vergleichswerte zurückgreifen, die sich mithin auch aus einem eventuell vorhandenen örtlichen Mietspiegel ergeben können (Vergleichswertverfahren). Bewertungsmaßstab sind die Kaufpreise von Immobilien, die mit der zu bewertenden Immobilie weitgehend übereinstimmen und dem Gutachterausschuss von den Notaren zur Erstellung der Kaufpreissammlung mitgeteilt wurden. Dabei werden Besonderheiten wie Belastungen, die den Wert beeinflussen, nicht berücksichtigt. Rechte Dritter am Grundstück, wie Wegerechte, Nießbrauchsrechte oder Wohnrechte bleiben bei der Bewertung im Vergleichswertverfahren also zunächst außen vor.

Soweit Sie die Immobilie bereits verkauft haben, zählt der Verkaufserlös. Wenn Sie mit dem Verkauf einen Makler beauftragen, wird auch der Makler aufgrund seiner Kenntnisse der örtlichen Gegebenheiten einen angemessenen Verkehrswert benennen können. Insbesondere können Makler die baulichen Gegebenheiten, die Lage der Immobilie und damit das potentielle Kaufinteresse gut einschätzen.

  • Mietwohnobjekte: In diese Kategorie fallen alle Immobilien, die mehr als zwei Wohneinheiten umfassen und zu mehr als 80 % als Wohnraum genutzt werden. Mietobjekte werden im Ertragswertverfahren bewertet. Für die Ermittlung der Erbschaftssteuer sind nur 90 % des Wertes anzusetzen, vorausgesetzt, das Gebäude befindet sich in einem bezugsfertigen und vermietbaren Zustand. Ist das Objekt noch nicht fertiggestellt, wird das Finanzamt einen Bewertungsabschlag im Regelfall ablehnen.
  • Gewerbeobjekte: Gewerbeobjekte werden nach dem Ertragswertverfahren bewertet. Dazu wird zunächst der Wert des Grundstücks als solches (Bodenwert) ohne Berücksichtigung der darauf stehenden Gebäude ermittelt. Diese Bewertung erfolgt auf der Basis von Vergleichspreisen wie für ein unbebautes Grundstück. Über den Bodenwert hinaus ist der Gebäudewert zu ermitteln. Grundlage des Gebäudewertes ist der Ertrag des Mietobjekts. Dieser bestimmt sich nach den Mieterträgen in den nächsten 12 Monaten. Von diesem Ertrag ist die Verzinsung des Bodenwertes abzuziehen. Im Zweifel ist ein Liegenschaftszins von 5 % zu berücksichtigen. Ferner werden vom Ertrag die Kosten der Bewirtschaftung abgezogen. Dazu gehören Verwaltungs- und Betriebskosten, Instandhaltungskosten und ein Mietausfallwagnis. Letztlich spielt auch die Nutzungsdauer des Gebäudes eine Rolle. Ist die Bewertung im Ertragswertverfahren nicht möglich, muss die Bewertung im Sachwertverfahren erfolgen.

Wann benötigen Sie ein Wertgutachten?

Sind Sie darauf angewiesen, den Verkehrswert einer Immobilie angemessen zu ermitteln, können Sie einen Gutachter mit der Wertermittlung beauftragen. Ein Gutachter kommt etwa in Frage, wenn das Finanzamt aufgrund eines zu hoch angesetzten Verkehrswertes Erbschaftssteuern einfordert. Oder müssen Sie in der Erbengemeinschaft den Nachlass auseinandersetzen und können sich mit den Miterben nicht auf den angemessenen Verkehrswert verständigen, kann ein Wertgutachten den Streit schlichten.

Ein Wertgutachten ist auch dann hilfreich, wenn Sie die Immobilie verkaufen möchten. Dann kann der Gutachter auch noch besondere Stärken der Immobilie aufzeigen, die Kaufinteressenten vielleicht besonders ansprechen und einen höheren Verkaufspreis ermöglichen.

Beauftragen Sie einen Gutachter, müssen Sie die Kosten wahrscheinlich aus eigener Tasche zunächst vorschießen. Wird der Nachlass nach Maßgabe des Gutachtens abgewickelt, sollten Sie die Kosten für das Gutachten letztlich dem Nachlass in Rechnung stellen können.

Ausblick

Ob Sie eine Immobilie allein oder in einer Erbengemeinschaft erben, kann ein privat beauftragtes Gutachten für Klarheit und Sicherheit sorgen. Möchten Sie sich auch für einen möglichen Streit vor Gericht absichern und eine handfeste Grundlage schaffen, ist das gerichtsfeste Gutachten zu empfehlen. Wenn Sie sich unsicher sind, was für Ihre Situation die beste Lösung ist, können Sie sich vorab beraten lassen, um alle Fragen zu klären.