Erben in der Patchworkfamilie

Wer ist erbberechtigt? Worauf muss ich achten?

Die Zeiten ändern sich. Vor allem unsere Lebensumstände haben sich verändert. Nicht oder kaum verändert hat sich jedoch das Gesetz. Das Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches geht von der Idealvorstellung der Familie aus, in der Mann und Frau mit ihren gemeinsamen Kindern zusammenleben und sich gegenseitig beerben. Für die Autoren des BGB war es nur bedingt vorstellbar, dass nach dem Tod eines Ehepartners der andere nochmals eine neue Bindung eingeht und heiratet. Da in einer Patchworkfamilie die von den Ehepartnern in die Ehe mitgebrachten Kinder aus früheren Ehen nicht untereinander und auch nicht mit dem Stiefelternteil verwandt sind, ergeben sich in der Praxis Konstellationen, bei denen das Erbrecht an Grenzen stößt.

Das Wichtigste

  • Patchworkfamilien sind Familien, in denen Kinder von nur einem der Partner abstammen. Das Kind des jeweiligen Partners hat dann einen Stiefelternteil, mit dem es nicht verwandt ist.
  • Da es in der Patchworkfamilie zwischen Stiefeltern und Stiefkindern keine Blutsverwandtschaft gibt, gibt es auch keine gesetzliche Erbfolge und demzufolge auch keine Pflichtteilsansprüche.
  • Die zentrale Frage in der Patchworkfamilie ist, ob die zusammenlebenden Elternteile ihre eigenen Kinder bevorzugen oder die Gleichstellung mit den Kindern des Partners wünschen. Ein einfacher Ausweg wäre, das Stiefkind zu adoptieren.

Wann sollte ich mein Testament aktualisieren?

Die Zahl der Scheidungen steigt. Patchworkfamilien und der hohe Pflegebedarf im Alter bringen die Grundsätze des Erbrechts durcheinander. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein vor zehn Jahren errichtetes Testament noch immer aktuell ist und im Fall des Ablebens des Erblassers noch immer dessen Willen korrekt wiedergibt, ist gering. Wenn Sie also eine Patchworkfamilie gründen, sind Sie gut beraten, Ihre Erbfolge zu überdenken und Ihr Testament im Hinblick auf Ihre neuen Familienverhältnisse neu zu gestalten.

Gesetzliche Erbfolge im Überblick

Schaubild:
Gesetzliche Erbfolge im Überblick

Berliner Testament blockiert die neue Partnerschaft

In dieses Bild passt das gegenseitige Berliner Testament. Dabei gehen die Ehepartner davon aus, dass der überlebende Ehepartner zunächst alles alleine erbt und erst nach dessen Ableben die gemeinsamen Kinder zu gleichen Teilen die Erbfolge antreten. Heiratet der überlebende Ehepartner erneut, bleibt er an die Bestimmungen des Berliner Testaments gebunden und hat Schwierigkeiten, dem neuen Partner und den Kindern aus erster und zweiter Ehe gleichermaßen gerecht zu werden. Insbesondere kann er den neuen Partner nicht mehr zum alleinigen Erben bestimmen.

Stiefkinder haben keine Erbberechtigung

In der Patchworkfamilie haben die Kinder des neuen Ehepartners als Stiefkinder beim Tod des Stiefelternteils kein Erbrecht. Stiefelternteil und Stiefkind sind nicht miteinander verwandt. Es besteht kein gesetzliches Erbrecht und damit auch kein Pflichtteilsanspruch.

In Patchworkfamilien gibt es die gesetzliche Erbfolge nur bei leiblichen Kindern.

In Patchworkfamilien gilt die gesetzliche Erbfolge nur für die leiblichen Kinder.

Soweit der Stiefelternteil das Stiefkind oder den neuen Ehepartner finanziell gegenüber den eigenen Kindern aus erster Ehe bevorzugt und dadurch das Erbe der eigenen Kinder schmälert, kann ein Kind aus erster Ehe nach dem Ableben des Elternteils allenfalls Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen den neuen Ehepartner und die Kinder aus zweiter Ehe geltend machen. Klar, dass damit Streitigkeiten vorprogrammiert sind. Der länger lebende Ehepartner sitzt schnell zwischen zwei Stühlen und muss die Interessen von Kindern aus erster Ehe und die Interessen des neuen Ehepartners und der neuen gemeinsamen Kinder miteinander in Einklang bringen.

Adoption macht das Stiefkind zum gesetzlichen Erben

Einen Ausweg bietet die Adoption. Adoptierte Kinder stehen dann den leiblichen Kindern des Erblassers gleich und werden mit der Adoption gesetzliche Erben. Die Adoption kann sich auch aus erbschaftssteuerrechtlichen Gründen gebieten. Da der Freibetrag des nicht leiblichen Kindes in der Erbschaftsteuerklasse III gerade mal 20.000 EUR beträgt, öffnet allein die Adoption den Weg, dass das adoptierte Kind auf den Steuerfreibetrag von 400.000 EUR zurückgreifen kann.

Und, wenn's den Kindern nicht verbliebe, den Enkeln kommt es doch zugut.

Johann Wolfgang von Goethe

Ohne Testament stehen Überraschungen ins Haus

In vielen Patchworkfamilien gibt es keine testamentarischen Verfügungen. Dann tritt die gesetzliche Erbfolge in Kraft. Sie führt zu erheblichen Ungereimtheiten.

Praxisbeispiel 1:

Die Tochter pflegt zusammen mit ihrem Vater die eigene Mutter. Nach deren Tod macht sie keinen Pflichtteil geltend und geht davon aus, dass sie nach dem Tod des Vaters Alleinerbe des Vaters wird. Dann heiratet der Vater erneut. Er bestimmt seine Ehefrau und deren Kinder zu seinen alleinigen Erben. Die neue Familie verschleudert das Vermögen. Verstirbt der Vater, ist die Tochter auf den dann wertlosen Pflichtteil angewiesen.

Praxisbeispiel 2:

Immer mehr Bundesbürger leben in Partnerschaften ohne Trauschein. Der länger lebende Partner ist vollkommen ungesichert. Verstirbt der Partner, hat der überlebende Partner auch dann keinerlei Erbansprüche, wenn beide über Jahre oder Jahrzehnte hinweg gemeinsam gewirtschaftet und wechselseitig alles bezahlt haben. Heikel wird die Situation, wenn eine Immobilie vorhanden ist, ohne dass der überlebende Partner im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist.

Was ist ein Geschiedenentestament?

Das Erbrecht des Ehepartners erlischt spätestens mit Rechtskraft des Scheidungsurteils. Dennoch passiert es, dass ein geschiedener Ehepartner über Umwege erbt.

Praxisbeispiel:

Ein geschiedener Ehepartner verstirbt und hinterlässt seinen Nachlass der gemeinsamen Tochter. Verstirbt die Tochter kinderlos und hinterlässt kein Testament, erbt die geschiedene Exfrau über den Umweg der Tochter als gesetzliche Erbin der Tochter das Erbe ihres Exmannes. In diesem Fall hätte es im Testament des Mannes der testamentarischen Bestimmung eines Ersatzerben bedurft. Nur dann wäre der Exfrau der Zugriff auf den Nachlass des Mannes verwehrt geblieben.

Welche Regelungen kommen in einem Patchworkfamilien-Testament in Betracht?

Jede familiäre Situation ist individuell. Dies wirkt sich gerade dann aus, wenn es um die Gestaltung der Erbfolge geht. Leben Sie in einer Patchworkfamilie, kommen Sie nicht umhin, sich genau darüber Gedanken zu machen, wie Sie Ihre Erbfolge gestalten wollen und auf welche Art und Weise Sie Ihre Angehörigen berücksichtigen möchten.

  • Sie können regeln, dass jeweils die eigenen Kinder allein erben sollen und sich nicht gegenseitig beerben.
  • Sie können den Wunsch haben, Ihren Partner finanziell abzusichern. Solange dieser lebt, soll er Ihren Nachlass nutzen können. Wenn Sie den Partner als Vorerben und die Kinder als Nacherben bestimmen, bleibt das Erbe den Kindern erhalten.
  • Sie können vereinbaren, dass auch die leiblichen Kinder des jeweils anderen Partners wie eigene Kinder behandelt werden und damit unabhängig davon, welcher Partner zuerst verstirbt, in der Erbfolge bedacht werden.
  • Sind Sie alleiniger Eigentümer Ihrer Ehewohnung, können Sie Ihr Haus Ihrem leiblichen Kind vermachen und zur Sicherung Ihres Ehepartners diesem ein lebenslanges oder zeitlich befristetes Wohnrecht einräumen. Dies gilt insbesondere dann, wenn Sie nicht miteinander verheiratet sind.
  • Möchten Sie vermeiden, dass Ihr Ex-Ehepartner nach Ihrem Ableben Ihren Nachlass für Ihr noch minderjähriges eigenes Kind verwaltet oder für den Fall des vorzeitigen Ablebens dieses Kindes Zugriff auf Ihren Nachlass erhält, sollten Sie über eine Testamentsvollstreckung nachdenken und ein Geschiedenentestament verfassen.

Fazit

Das Erbrecht ist an sich bereits ausgesprochen komplex. Noch komplexer wird das Erbrecht in der Patchworkfamilie. An sich hält das Erbrecht ausreichende Regelungen bereit. Insbesondere die weitgehend bestehende Testierfreiheit ermöglicht es Ihnen, Ihre Nachfolge individuell zu gestalten, vorausgesetzt, Sie machen sich die Mühe und formulieren und gestalten ein Testament.

Autor:  Henrick Kurt Wertheim

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