Frauen und Erbrecht

Das Thema Erbrecht speziell für Frauen mag verwundern. Dennoch hat es gerade im Erbrecht seine Bedeutung. Eine Reihe von Beispielen zeigt, warum dies so ist. Zwar erben Frauen nach dem gleichen Recht wie Männer. Dennoch unterscheidet sich die Situation, in der sich viele Frauen nach dem Ableben ihres Partners befinden, oft von der der Männer, sei es wirtschaftlich, mental oder in Beziehung zu ihren Kindern. Teils bestehen auch Vorstellungen positiver und negativer Art, für die es im Recht keine Grundlage gibt.

Warum spielen Frauen im Erbrecht eine besondere Rolle?

Frauen leben statistisch länger als Männer und sind damit vorrangig potentielle Erben. Jungen, die im Jahr 2015 geboren wurden, haben eine statistische Lebenserwartung von 78,4 Jahren. In 2015 geborene Mädchen hingegen werden durchschnittlich 83,4 Jahre alt und überleben ihre Altersgenossen damit um immerhin gut und gerne fünf Jahre (Quelle: statista.com). Für im Jahr 1950 geborene Männer liegt die durchschnittliche Lebenserwartung bei 64,6 und für Frauen bei 68,5 Jahren. Wie man es auch dreht und wendet, Frauen werden älter als Männer, zumindest in der Statistik.

Wenn man dann daraus den Schluss zieht, dass ca. 70 Prozent der Ehefrauen ihren Ehepartner überleben, sind Frauen in besonderem Maße mit den Anforderungen von Erbschaftssituationen konfrontiert.

10 Aspekte, die im Erbfall für die Frau eine Rolle spielen können

Ehefrauen haften nicht für Verbindlichkeiten des verstorbenen Ehegatten

In der Ehe haftet der Ehepartner nicht für die Verbindlichkeiten des anderen, egal ob das Ehepaar im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebt oder Gütertrennung vereinbart hat. Verstirbt der Ehegatte, gilt es allerdings aufzupassen. Mit dem Ableben des Partners wird die Frau Rechtsnachfolger des Ehegatten und übernimmt damit alle seine Rechte und Pflichten. Tritt sie das Erbe an, übernimmt sie auch die bestehenden Verbindlichkeiten und haftet privat und persönlich gegenüber den Gläubigern des Ehegatten.

Übersteigen die Verbindlichkeiten, die der Ehepartner hinterlässt, den Wert des Nachlasses, kann die Ehefrau die Erbschaft ausschlagen. Dazu ist eine Frist von sechs Wochen zu beachten. Wird die Frist versäumt, gilt das Erbe nach Ablauf von sechs Wochen als angenommen. Damit ist die Haftung für die bestehenden Verbindlichkeiten begründet.

Will die Frau diese persönliche Haftung vermeiden, muss sie entweder innerhalb von 6 Wochen nach Kenntnis des Erbfalls das Erbe ausschlagen oder, wenn die Situation nicht zuverlässig einzuschätzen ist, beim Nachlassgericht vorsichtshalber die Nachlassverwaltung beantragen. Dadurch wird der Nachlass vom Privatvermögen der Frau getrennt. Ein vom Gericht bestellter Nachlassverwalter zahlt aus dem Nachlass die Verbindlichkeiten und kehrt den Rest an die Frau als Erbin aus. Reicht der Nachlass nicht aus, um die Verbindlichkeiten zu bedienen, können Ehefrau oder Nachlassverwalter die Nachlassinsolvenz anmelden. Dann werden die Gläubiger ausschließlich aus dem Nachlass bedient. Für die Frau bleibt das Haftungsrisiko ausgeschlossen.

Ehegatten-Voraus

Der Ehegatten-Voraus stellt sicher, dass der überlebende Ehegatte den Haushalt weiterführen kann und davor bewahrt wird, dass andere Erben (z.B. die eigenen Kinder) Ansprüche stellen und einzelne Haushaltsgegenstände herausverlangen. Die Frau bzw. umgekehrt natürlich auch der Mann, hat Anspruch, dass die Hausratsgegenstände des Haushalts, den sie zusammen mit ihrem Ehegatten geführt hat, in ihrem Besitz und Eigentum verbleiben. Sind Kinder vorhanden, umfasst dieser „Voraus“ allerdings nur die Gegenstände der Haushaltsführung die der Ehegatte zur Führung eines angemessenen Haushalts benötigt, während persönliche Gegenstände des Partners in den Nachlass fallen, auf den auch die Kinder Anspruch haben (§ 1932 BGB). Das Recht auf den Voraus ist allerdings ausgeschlossen, wenn zum Zeitpunkt des Todes des Ehegatten die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe vorlagen (Trennung) und der Erblasser die Scheidung beantragt oder dem Scheidungsantrag des anderen zugestimmt hatte (§ 1933 BGB).

Gibt es keine Kinder, gehören nur Luxusgüter des Haushalts zum Nachlass (teure Autos, Münzsammlungen). Alle anderen Gegenstände gehören als Ehegatten-Voraus Frau oder Mann. Auch Hochzeitsgeschenke gehören der Frau. Hat der Partner ein Testament verfügt, gehört der Hausrat der Frau nur, wenn sie ausdrücklich durch ein Vermächtnis damit bedacht wurde.

Gemeinsame Bankkonten

Oft ist es so, dass die Ehegatten ein gemeinsames Bankkonto unterhalten haben. Handelt es sich dabei um ein „Oder-Konto“, bei dem beide Ehepartner gleichberechtigt ohne Zustimmung des anderen verfügen können, kann die überlebende Ehefrau auch weiterhin über das Konto verfügen. Allerdings muss sie berücksichtigen, dass ihr ein vorhandenes Guthaben im Hinblick auf weitere Erben nur teilweise gehört. Als Mitkontoinhaberin hat sie Anspruch auf die Hälfte des Guthabens. An der anderen Hälfte ist sie nach Maßgabe ihres gesetzlichen Erbteils beteiligt.

Handelt sich bei dem Bankkonto um ein „Und-Konto“, bei dem beide Ehegatten nur gemeinsam verfügen konnten, kann die Frau das Konto nur weiter benutzen, wenn Sie über eine über den Tod hinaus geltende Bankvollmacht des Partners verfügt. Lautet das Konto hingegen nur auf den Namen des verstorbenen Ehegatten, gehört es zum Nachlass. Dann kann die Ehefrau nur darüber verfügen, wenn sie ihr Erbrecht nachweist. Die Details ergeben sich aus dem Kontoeröffnungsantrag oder in Rücksprache mit der Bank.

Eigentum an Immobilien

Ehegatten sind meist gemeinsam im Grundbuch als Eigentümer des Familienheims eingetragen. Dann fällt nur der Anteil des verstorbenen Ehegatten in den Nachlass. Ist die Ehefrau Alleinerbin, kann sie die Eigentumsumschreibung im Grundbuch veranlassen, wenn sie ein notarielles Testament oder einen Erbvertrag vorlegt oder ihr Erbrecht durch einen Erbschein nachweist (§ 35 GBO). Gibt es weitere Erben, wird der Anteil des verstorbenen Ehegatten auf die Erbengemeinschaft umgeschrieben.

Auswirkungen des Güterstandes

Zugewinngemeinschaft: In der Mehrzahl der Ehen leben die Ehepartner im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Kennzeichnend ist, dass jeder Ehegatte eigenständig wirtschaftet und alles, was er/sie in der Ehe erwirbt, eigenes Eigentum wird. Gemeinsames Eigentum entsteht nur dann, wenn beide Eheleute gemeinsam etwas erwerben, beispielsweise als Eigentümer einer Immobilie im Grundbuch eingetragen sind. Am Vermögen des Ehegatten ist die Frau nur durch den Zugewinnausgleich beteiligt, der allerdings nur erfolgt, wenn die Ehe geschieden wird oder der Partner verstirbt.

Verstirbt der Partner, braucht der Zugewinn nicht ausdrücklich ausgerechnet zu werden. Das Gesetz eröffnet einen einfachen Weg. Dann erhalten die Frau und umgekehrt der Mann pauschal ein Viertel des Nachlasses als Zugewinnausgleich und zwar zusätzlich zu dem ohnehin bestehenden gesetzlichen Erbteil. Man nennt dies die erbrechtliche Lösung oder den großen Pflichtteil.

Gibt es keine Kinder, erhält die Ehefrau die Hälfte des Vermögens als gesetzlichen Erbteil zuzüglich ¼ Zugewinnausgleich, insgesamt also ¾ Anteil am Nachlass. Gibt es hingegen Kinder, reduziert sich das gesetzliche Erbe auf ¼ zuzüglich ¼ Zugewinnausgleich, insgesamt somit 50 % Anteil am Nachlass.

Allerdings hat der überlebende Ehepartner nach § 1371 BGB ein Wahlrecht. Er kann die Erbschaft auch ausschlagen und stattdessen den kleinen Pflichtteil geltend machen und dann den errechneten Zugewinnausgleich genau ausrechnen und zusätzlich den Zugewinnausgleich geltend machen.

Diese güterrechtliche Lösung ist dann vorteilhaft, wenn Kinder miterben und/oder der überlebende Ehepartner selbst kein oder nur wenig Anfangsvermögen in die Ehe eingebracht und auch während der Ehe kein oder nur wenig eigenes Vermögen erworben hat, während umgekehrt der Ehepartner sein Vermögen überwiegend während der Ehezeit erwirtschaftet hat. Um den Zugewinn zu berechnen, ist für jeden Ehegatten das jeweilige Anfangs- und Endvermögen zu ermitteln. Die Hälfte der sich ergebenden Differenz ist der Zugewinnausgleichsanspruch. Führte das Ehepaar vornehmlich eine Hausfrauenehe, profitiert die Frau vom hohen Zugewinn ihres Ehegatten.

Gütertrennung: Hat das Ehepaar die Zugewinngemeinschaft ehevertraglich ausgeschlossen und stattdessen Gütertrennung vereinbart, erbt die Frau ein Viertel des Nachlasses. Erbt sie zusammen mit einem oder zwei Kindern, erhöht sich ihr Anteil. Sie erhält den gleichen Anteil wie die Kinder und erhält bei einem Kind die Hälfte oder bei zwei Kindern ein Drittel des Nachlasses. Gibt es keine Erben erster Ordnung (Kinder, Enkelkinder), erbt sie automatisch die Hälfte des Erbes. Das restliche Erbe geht an die Erben nachrangiger Ordnungen (Geschwister).

Erbschaftssteuern

Erbschaftssteuern fallen in der Regel nur bei sehr hohen Vermögenswerten an. Verbindlichkeiten sind zu berücksichtigen. Der Frau steht ein

  • Steuerfreibetrag von 500.000 €,
  • ein Versorgungsfreibetrag von 246.000 €,
  • ein Freibetrag für bewegliche Gegenstände (Auto des Erblassers) von 12.000 € sowie
  • ein Freibetrag für Hausrat, Kunstgegenstände oder Sammlungen von 41.000 € zu.

Lebte das Ehepaar in einer selbstgenutzten Immobilie, muss der überlebende Ehepartner mindestens zehn Jahre selbst darin wohnen, um Erbschaftssteuer zu vermeiden. Auf die Wohnfläche kommt es dabei nicht an.

Umgang mit Pflichtteilsberechtigten

Ehepaare setzen sich in gegenseitigen Testamenten meist zum jeweiligen Alleinerben des verstorbenen Partners ein. Hat das Ehepaar Kinder, steht den Kindern als gesetzlichen Erben der Pflichtteil zu. Um den Pflichtteil auszahlen zu können, ist die Frau oft darauf angewiesen, das selbst genutzte Familienwohnhaus zu verkaufen. Im Idealfall wurde im Testament eine Strafklausel vereinbart. Danach würde das Kind, das beim Tode des zuerst versterbenden Elternteils seinen Pflichtteil fordert, auch beim Tode des überlebenden Elternteils auf den Pflichtteil verwiesen. Wird der Pflichtteil dennoch geltend gemacht, kann die Frau beim Nachlassgericht beantragen, dass der Auszahlungsanspruch auf einen Zeitraum für bis zu 18 Monaten gestundet wird. In dieser Zeit ist nach anderen Lösungen zu suchen.

Auszahlung von Lebensversicherungen

Hatte der verstorbene Ehegatte eine Lebensversicherung und die Frau als bezugsberechtigte Person eingesetzt, gehört die Lebensversicherungssumme nicht zum Nachlass und wird ausschließlich an die Ehefrau als begünstigte Person ausbezahlt. Handelt sich dabei um eine Sterbegeldversicherung, können damit zumindest die Beerdigungskosten bezahlt werden.

Rentenzahlung

Verstirbt der Partner, erhalten verheiratete Frauen für drei Monate weiter dessen volle Rente, danach bis zu 60 % Witwenrente. Voraussetzung ist, dass die Ehe mindestens ein Jahr bestanden hat. Viele private Rentenverträge enthalten eine Rentengarantie, nach der für bis zu 10 Jahre die Rente auch nach dem Ableben des Rentenempfängers an die Ehefrau weitergezahlt wird.

Kein Erbrecht bei Scheidung

Das gesetzliche Erbrecht der Frau erlischt, wenn der Partner verstirbt und die Voraussetzungen für die Scheidung (insbesondere das Trennungsjahr) vorlagen und der Erblasser die Scheidung beantragt oder dem Scheidungsantrag der Frau zugestimmt hatte. Soweit ein Testament besteht, kommt es darauf an, ob die Erbeinsetzung der Frau auch über die Scheidung hinaus Bestand haben sollte oder die Erbeinsetzung spätestens mit der rechtskräftigen Scheidung erlöschen sollte.

Fazit

Das Erbrecht unterscheidet nicht zwischen Mann und Frau. Unterschiede sind rein faktischer und mentaler Art und führen in der Lebenspraxis dazu, dass die Frau sich rein statistisch öfter mit erbrechtlichen Fragen auseinandersetzen muss, als es vielleicht bei Männern der Fall ist.

Autor:  Heinrich von Südhoff

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