Wie unbekannte Erben finden?

Eigentlich könnte es Ihnen nur recht sein, wenn Sie allein den Nachlass eines Verstorbenen erben. Gehen Sie jedoch davon aus oder gibt es Anhaltspunkte dafür, dass noch weitere Personen als Erben in Betracht kommen, liegt es in Ihrem Interesse, diese Erben zu ermitteln. In der Praxis ist es oft schwierig, bekannte oder gar unbekannte Erben zu ermitteln und aufzufinden. Sind Sie nämlich nur Miterbe, bilden Sie mit den anderen Erben eine Erbengemeinschaft. In der Erbengemeinschaft können Sie alle nur gemeinsam handeln. Jeder ist auf den anderen angewiesen. Um bekannte Erben mit unbekanntem Aufenthaltsort oder in der Person unbekannte Erben zu finden, bietet sich die Hilfe von Erbenermittlern an.

Kurze Zusammenfassung

  • Es empfiehlt sich, auch unbekannte Erben zu ermitteln, da alle Miterben nur in der Erbengemeinschaft gemeinsam über den Nachlass verfügen können.
  • Sofern Sie unbekannte Erben nicht selbst recherchieren können, kann das Nachlassgericht aufgrund Ihres Antrags auf Erteilung eines Erbscheins unbekannte Erben öffentlich auffordern, ihr Erbrecht anzumelden.
  • Das Nachlassgericht kann einen Nachlasspfleger zur Verwaltung des Nachlasses bestellen, wenn mehrere Miterben vorhanden sind und der Nachlass der Sicherung bedarf.

Praktische Tipps für Sie

Tipp 1: Verfügen Sie nicht voreilig über den Nachlass
Sofern noch weitere Erben in Betracht kommen, sollten Sie nicht voreilig alleine über den Nachlass oder einzelne Nachlasswerte verfügen. Sie riskieren Schadensersatzansprüche der Miterben.

Tipp 2: Ihr Antrag auf Erteilung eines Erbscheins verpflichtet Sie zur Angabe potentieller Erben
Brauchen Sie zur Verwaltung oder zur Recherche von Nachlasswerten einen Erbschein, müssen Sie gegenüber dem Nachlassgericht offenbaren, wenn Sie Kenntnis von unbekannten Erben oder Erben unbekannten Aufenthaltsortes haben.

Tipp 3: Ziehen Sie die Beauftragung eines Erbenermittlers in Betracht
Um die Recherche nach unbekannten Erben oder Erben unbekannten Aufenthaltsort zu beschleunigen, kann die Beauftragung eines professionellen Erbenermittlers hilfreich sein.

Was sind unbekannte Erben?

Verstirbt eine Person, erben die nach der gesetzlichen Erbfolge berufenen Erben oder der in einem Testament oder Erbvertrag berufene Erbe den Nachlass des Verstorbenen. Sind Sie selbst in einem Testament zum alleinigen Erben bestimmt worden, sind Sie auf der sicheren Seite. Sie erben allein. Hinterlässt der Erblasser aber keine letztwillige Verfügung (Testament, Erbvertrag), gilt allein die gesetzliche Erbfolge. Dann sind die Erben nach der im Gesetz geregelten Erbordnung zu bestimmen.

Es kommt immer wieder vor, dass von der Person her bekannte Erben aber nicht auffindbar sind. Auch ist oft nicht bekannt, ob ein Erbe überhaupt noch lebt und ob er selbst erbberechtigte Angehörige hinterlässt, die an seiner Stelle erben. Vielleicht ist ein vermeintlicher Erbe irgendwann ins Ausland ausgewandert oder hat infolge einer Eheschließung den Nachnamen geändert. Auch nichteheliche Kinder, die den Namen der Mutter tragen und vom Namen her keine Verbindung zum Erblasser erkennen lassen, sind gleichermaßen erbberechtigt und kommen als gesetzliche Erben in Betracht.

Insoweit sind also bekannte Erben mit unbekanntem Aufenthaltsort als auch von der Person her unbekannte Erben zu berücksichtigen.

Warum ist es wichtig, unbekannte Erben zu finden?

Sind Sie nur Miterbe, bilden Sie mit anderen Erben eine Erbengemeinschaft. In der Erbengemeinschaft können Sie nur gemeinschaftlich über den Nachlass verfügen. Auch die Verfügung über einzelne Nachlasswerte ist nur gemeinschaftlich im gegenseitigen Einvernehmen aller Miterben möglich.

Handeln Sie allein, ohne die Mitspracherechte anderer Miterben zu berücksichtigen, riskieren Sie Schadensersatzansprüche der Miterben und handeln sich unnötigen Ärger ein. Sie sollten also ein großes Interesse daran haben, bekannte Erben mit unbekanntem Aufenthaltsort oder in der Person unbekannte Erben zu finden.

Sie sollten keinesfalls riskieren, über den Nachlass zu verfügen, in der Hoffnung, dass ein anderer Miterbe kein Erbrecht geltend macht. Sie riskieren, dass ein Miterbe irgendwann in Erfahrung bringt, dass er geerbt hat. Dann müssen Sie sich möglicherweise noch Jahre nach dem Erbfall mit Ansprüchen am Nachlass auseinandersetzen.

Expertentipp:

Solange Sie den Nachlass als gesetzlicher Erbe allein in Besitz nehmen und darauf hoffen, dass sich andere Miterben nicht einfinden werden, haben Sie zunächst kein großes Problem. Ein Problem haben Sie dann, wenn ein Miterbe seine Ansprüche anmeldet und Sie sich wegen Ihrer Verfügungen über den Nachlass rechtfertigen müssen. Außerdem bekommen Sie ein Problem, wenn Sie beim Nachlassgericht einen Erbschein beantragen. Einen Erbschein brauchen Sie zwangsläufig dann, wenn Sie das Eigentum an einer zum Nachlass gehörenden Immobilie beim Grundbuchamt umschreiben lassen wollen oder Banken oder Behörden auf dem zuverlässigen Nachweis Ihres Erbrechts bestehen. In Ihrem Antrag auf Erteilung eines Erbscheins müssen Sie unter anderem angeben, ob es noch weitere Personen gibt oder gab, durch die Sie möglicherweise von der Erbfolge ausgeschlossen oder Ihr Erbteil gemindert werden würde (§ 352 FamFG). Sind mehrere Erben vorhanden, erhalten Sie nur einen gemeinschaftlichen Erbschein, in dem die Erben und deren Erbanteile bezeichnet werden. Ihre Angaben müssen Sie an Eides statt versichern. Machen Sie falsche Angaben, machen Sie sich nach § 146 StGB strafbar.

Gut zu wissen:

Nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs können auch unbekannte Erben zur Erbschaftssteuer herangezogen werden (BFH, Urteil vom 17. 2620, Az. II R 40/17). Da die Erben unbekannt waren, bestimmte das Nachlassgericht einen Nachlasspfleger. Dieser war verpflichtet, für die unbekannten Erben eine Erbschaftssteuererklärung abzugeben. Das Finanzamt durfte die Anzahl der Erben, die Erbquoten, die Zugehörigkeit zu einer Steuerklasse und die damit anwendbaren Freibeträge schätzen. Dem Nachlasspfleger wurde zuvor zugestanden, innerhalb eines Jahres die Erben zu ermitteln. Auch wenn es sich bei den unbekannten Erben nur um eine abstrakte Erbengemeinschaft gehandelt habe, die aus später festgestellten Personen bestehe, sei ein Schuldner für die Erbschaftssteuer vorhanden. Sind Sie also als Miterbe betroffen, sollten Sie ein Interesse daran haben, andere Erben ausfindig zu machen. Nur so vermeiden Sie, dass Ihre Erbquote vielleicht zu hoch angesetzt wird und Sie mit einer unangemessen hohen Erbschaftssteuer belastet werden.

Wie können Sie selbst unbekannte Erben finden?

Es ist naheliegend, dass Sie zunächst selbst versuchen, alle Erben zu ermitteln, die nach der gesetzlichen Erbfolge erbberechtigt sind. Sprechen Sie dazu Angehörige oder andere Personen an, die möglicherweise Auskunft darüber geben können, wo Sie suchen könnten. Recherchieren Sie in Telefonbüchern. Haben Sie Anlass, dass ein Erbe mit unbekannter Adresse irgendwo wohnt, können Sie mit einer Einwohnermeldeanfrage beim örtlichen Einwohnermeldeamt Auskunft erhalten, ob diese Person dort gemeldet ist. Sofern eine Person verstorben ist, erfahren Sie über das zuständige Standesamt, ob es hinterbliebene Angehörige gibt, die als Erben in Betracht kommen.

Inwieweit ermittelt das Nachlassgericht unbekannte Erben?

Sind Ihre Recherchemöglichkeiten erschöpft, kann das Nachlassgericht unbekannte Erben oder Erben unbekannten Aufenthalts öffentlich auffordern, ihre Erbrechte beim Nachlassgericht anzumelden (§ 352d FamFG). Das Gericht wird an der Gerichtstafel oder in örtlichen Tageszeitungen öffentlich auffordern, eventuell bestehende Erbrechte geltend zu machen. Die Frist dafür beträgt in der Regel ca. drei Monate.

Kann das Nachlassgericht nicht zuverlässig beurteilen, ob ein unbekannter Erbe noch lebt, kann das Gericht zur Sicherung des Nachlasses einen Nachlasspfleger bestimmen (§ 1960 BGB). Der Nachlasspfleger hat die Aufgabe, den Nachlass in Besitz zu nehmen und im Interesse und im Auftrag der Erbengemeinschaft zu verwalten. Das Gericht kann den Nachlasspfleger auch damit beauftragen, unbekannte Erben zu ermitteln. Soweit sich der Nachlasspfleger dazu nicht in der Lage sieht, kann er auch einen gewerblichen Erbenermittler beauftragen.

Haben Sie einen Erbschein beantragt, wird das Nachlassgericht so lange nicht über Ihren Antrag entscheiden, bis geklärt ist, ob und welche Erben einzubeziehen sind. Sie laufen also Risiko, dass sich die Auseinandersetzung des Nachlasses auf unbestimmte Zeit verzögert und Sie nicht über die Nachlasswerte verfügen können. Auch insoweit sollten Sie ein Interesse daran haben, unbekannte Erben möglichst schnell aufzufinden.

Was passiert, wenn ein Erbe nicht gefunden wird?

Kann ein Erbe nicht gefunden werden, weil er möglicherweise verschollen ist, kann diese Person nach dem Verschollenheitsgesetz für tot erklärt werden. Das Nachlassgericht kann dann ein Aufgebotsverfahren mit dem Ziel der Toderklärung einleiten. Der Todeszeitpunkt orientiert sich nach der durchschnittlichen Lebenserwartung, die die verschollene Person zum Zeitpunkt der letzten Nachricht über Ihren Verbleib zu erwarten hatte. Das Oberlandesgericht Oldenburg (12 WF 53/17) erklärte beispielsweise eine Person für tot, die seit 65 Jahren vermisst war und inzwischen über 100 Jahre hätte alt sein müssen. Auch dann kommt es darauf an, ob diese Person möglicherweise eigene Abkömmlinge hinterlassen hat, die in die Erbfolge eintreten könnten.

Welche Hilfestellung bieten Erbenermittler?

Möchten Sie selbst initiativ werden und unbekannte Erben finden, könnten Sie einen professionellen Erbenermittler einbeziehen. Erbenermittler ist aber kein anerkannter Berufsstand. Erbenermittler haben keine besondere Ausbildung und brauchen keine behördliche Erlaubnis. Erbenermittler kann jeder sein, der sich dazu befähigt fühlt. Erbenermittler arbeiten wie Detektive. Sie recherchieren in Archiven von Personenstandsbüchern der Gemeinden oder in Kirchenbüchern und fragen dort, wo der unbekannte Erbe möglicherweise zuletzt gelebt hat, nach, ob jemand Auskünfte über den Verbleib dieser Person geben kann.

Expertentipp:

Ein Erbenermittler sollte in der Lage sein, die gesetzliche Erbfolge zu beurteilen und die rechtliche Stellung potentieller Erben einzuordnen. Es gibt in Deutschland schätzungsweise ca. 400 professionelle Erbenermittler. Ein Erbenermittler sollte auch in der Lage sein, altdeutsche Schrift zu lesen. Nur so wird er in der Lage sein, alte Dokumenten einzusehen. Ohne gewisse Grundkompetenzen wird ein Erbenermittler kaum erfolgreich sein.

Erbenermittler recherchieren auch unbekannte Vermögenswerte. Haben Sie Anlass zu der Vermutung, dass der Erblasser auf unbekannten Konten Bargeld hinterlassen hat oder vielleicht im Ausland nicht näher bekannte Vermögenswerte besitzt, können Sie den Erbenermittler damit beauftragen, Recherchen anzustellen. Wichtig ist aber, dass Sie wirklich Anhaltspunkte und möglichst schriftliche Unterlagen haben, die eine zielgerichtete Recherche möglich machen. Angaben ins Blaue hinein oder Spekulationen sind nicht zielführend. Soll der Erbenermittler erfolgreich recherchieren, wird es geboten erscheinen, dass Sie einen Erbschein in der Form eines Teilerbscheins beantragen, in dem Sie nur als Miterbe ausgewiesen sind. Grund ist, dass der Erbenermittler irgendwie nachweisen muss, dass er in Ihrem Auftrag handelt und Sie Erbe sind. Andernfalls werden Banken, Versicherungen oder Behörden dazu neigen, jegliche Auskünfte über eventuell vorhandene Vermögenswerte zu verweigern.

Was kostet ein Erbenermittler?

Erbenermittler vereinbaren Stundenhonorare, akzeptieren aber auch Erfolgshonorare. Teils beanspruchen sie wegen ihrer Auslagen Vorschusszahlungen. Es empfiehlt sich wohl, ein Erfolgshonorar zu vereinbaren, da Sie als Auftraggeber kaum den Stundenaufwand einschätzen und nachprüfen können, den ein Erbenermittler bei einer entsprechenden Vereinbarung abrechnen würde. Vereinbaren Sie ein Erfolgshonorar, wird das Honorar nur fällig, wenn der Erbenermittler den Erben ausfindig macht. Rechnen Sie damit, dass sich das Erfolgshonorar bei 10 - 30 % des Nachlasswertes beziffert, der sich nach Abzug der Verbindlichkeiten ergibt.

Expertentipp:

Wie bei jedem Berufsstand, gibt es auch bei Erbenermittlern schwarze Schafe. Seien Sie vorsichtig, wenn der Erbenermittler Vorkasse verlangt, wenn Sie nicht sicher wissen, dass der Erbenermittler zuverlässig und kompetent arbeitet. Sofern ein Erbenermittler seine Information über den Erbfall von der Gerichtstafel oder aus der Tageszeitung ableitet, sollten Sie misstrauisch sein, wenn dieser Erbenermittler seine Dienste anbietet. Meist werden hier Vorschusszahlungen verlangt, denen nicht unbedingt zuverlässige Ergebnisse gegenüberstehen. Zugleich sollten Sie aber berücksichtigen, dass der Erbenermittler möglicherweise Auslagen tätigt. Damit er diese nicht aus eigener Tasche vorschießen muss, kann es eine Motivation darstellen, wenn Sie insoweit vorzeitig oder frühzeitig Auslagenersatz leisten. Sofern das Nachlassgericht einen Erbenermittler bestellt, wird dieser meist auf Stundenbasis bezahlt. Dabei sind Honorarsätze von bis ca. 100 € die Stunde netto zuzüglich eventueller Auslagen üblich.

Ausblick

Das Erbrecht ist komplex. Grund dafür ist aber nicht allein, dass das Recht an sich komplex ist. Grund ist, dass die Lebensverhältnisse oft schwierig sind und jeder, der als Erbe in Betracht kommt, gerecht behandelt wird. Das Gesetz versucht die Lebenswirklichkeit nachzuvollziehen. Sind Sie als Miterbe betroffen, sollten Sie sich frühzeitig juristisch beraten lassen und vermeiden, dass Sie falsche Wege gehen.

Autor:  iurFRIEND-Redaktion

Ratgeber