Was bedeutet die Pflicht­teils­straf­klausel im Ehegatten­testament?

Was muss ich zur Pflicht­teils­straf­klausel im Ehegatten­testament wissen?

Eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln (Beschluss v. 27.9.2018, Az. 2 Wx 314/18) gibt Anlass, die Pflicht­teils­strafklausel im Ehegatten­testament näher zu betrachten. Einem Erben, der pflichtteilsberechtigt ist, dürfte es kaum bewusst sein, welches Risiko er eingeht, wenn er den Pflichtteil tatsächlich geltend macht.

Das Wichtigste

  • Setzen sich Ehegatten in einem Ehegatten­testament gegenseitig zum Alleinerben des zuerst versterbenden Partners ein, steht den übrigen gesetzlichen Erben (meist die Kinder) nur der Pflichtteil zu.
  • Der Pflichtteil ist ein reiner Geldanspruch und berechtigt nicht zur Teilhabe am Nachlass.
  • Pflichtteilsberechtigt sind nur den nächsten Verwandten des Erblassers.
  • Um zu vermeiden, dass die Kinder bereits nach dem Ableben des zuerst versterbenden Ehepartners ihren Pflichtteil geltend machen, enthalten Ehegatten­testamente oft eine Pflichtteilsstrafklausel.
  • Die Pflichtteils­strafklausel beinhaltet, dass ein Kind auch nach dem Tode des zuletzt versterbenden Elternteils nur noch seinen Pflichtteil erhält, wenn es zuvor bereits beim Tode des zuerst versterbenden Elternteils seinen Pflichtteil geltend gemacht hat.

Was ist der Pflichtteil?

Der Pflichtteil wird immer dann relevant, wenn der Erblasser in einem Testament die gesetzliche Erbfolge ausschließt und seine Erbfolge neu regelt, indem er einen Wunscherben bestimmt. Gleiches ist der Fall, wenn Ehegatten in einem Ehegattentestament (Berliner Testament) sich gegenseitig zum alleinigen Erben des zuerst versterbenden Partners einsetzen. In diesen Fällen werden andere gesetzliche Erben aus ihrer Position verdrängt. In diesem Fall sichert das Gesetz den nächsten Familienangehörigen ein Mindesterbrecht, das als Pflichtteil bezeichnet wird. Der Pflichtteil kann dann nur noch in seltenen Ausnahmefällen entzogen werden.

Praxisbeispiel:

Hans Mueller ist verheiratet und hinterlässt zwei Kinder. Mit seiner Ehefrau verfasst er ein Ehegattentestament. Darin setzen sich beide Ehepartner gegenseitig zum Alleinerben des zuerst versterbenden Ehepartners ein. Damit schließen sie aus, dass die Kinder im Erbfall ihr gesetzliches Erbrecht geltend machen und verweisen die Kinder auf den Pflichtteil.

Wie hoch ist der Pflichtteil?

Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Um den Pflichtteil zu bestimmen, ist also zunächst der gesetzliche Erbteil zu erfassen. Die Hälfte des Wertes ist der Pflichtteil.

Welchen Inhalt hat der Pflichtteil?

Der Pflichtteil begründet keinen Anspruch auf Teilhabe am Nachlass. Er wird regelmäßig in Bargeld ausgezahlt. In Absprache mit dem testamentarisch bestimmten Erben können natürlich auch Wertgegenstände oder sonstige Vermögenswerte übertragen werden. Der Pflichtteilsberechtigte hat aber keinen Anspruch darauf, über den Nachlass zu verfügen oder über dessen Verwendung mitzubestimmen. Verfügungs- und bestimmungsberechtigt ist allein der testamentarisch bedachte Erbe.

Wer ist Pflichtteilsberechtigt?

Pflichtteilsberechtigte nur den nächsten Angehörigen des Erblassers. Dies sind seine Kinder, Enkel und Urenkel, seine Eltern sowie sein überlebender Ehegatte oder sein eingetragener Lebenspartner. Nichteheliche und adoptierte Kinder sind den ehelichen Kindern gleichgestellt. Nicht pflichtteilsberechtigt sind jedoch entferntere Verwandte wie Geschwister, Onkel, Tanten, Neffen und Nichten und vor allem auch nicht der nichteheliche Lebensgefährte des Erblassers.

Was ist die Pflichtteilsstrafklausel im Ehegattentestament?

Um zu verhindern, dass die gesetzlichen Erben bereits unmittelbar nach dem Ableben des zuerst versterbenden Elternteils gegenüber dem überlebenden Elternteil ihren Pflichtteil geltend machen, bestimmen die Ehepartner im Ehegattentestament meist eine Pflichtteilsklausel. Darin vereinbaren sie, dass die gesetzlichen Erben ihren eigentlichen Erbteil erst nach dem Tode des zuletzt versterbenden Elternteils erhalten sollen. Sollte ein gesetzlicher Erbe seinen Pflichtteil bereits nach dem Ableben des zuerst versterbenden Elternteils geltend machen, wird er insoweit bestraft, als er auch nach dem Tode des zuletzt versterbenden Elternteils nur noch seinen Pflichtteil erhält. Umgekehrt wird er dafür belohnt, dass er seinen Pflichtteil zunächst nicht geltend macht und das Ableben auch des anderen Elternteils abwartet.

Praxisbeispiel:

Musterformulierung im Testament: Macht eines unserer Kinder beim Tod des Erstversterbenden seinen Pflichtteilsanspruch geltend, so sind er und seine Abkömmlinge auch beim Tod des Überlebenden auf den Pflichtteil gesetzt.

Wann wird die Pflichtteilsstrafklausel ausgelöst?

Die Pflichtteilsstrafklausel wird bereits dann ausgelöst, wenn der pflichtteilsberechtigte Erbe seinen Pflichtteil geltend macht und gegenüber dem testamentarisch bestimmten Erben einfordert. Im Fall des OLG Köln hatte sich ein Ehepaar in einem Ehegattentestament gegenseitig zum Alleinerben eingesetzt und eine Pflichtteilsstrafklausel vereinbart. Nach dem Tod der Mutter forderte der Sohn ein Sachverständigengutachten, um den Verkehrswert der elterlichen Immobilie zu ermitteln. Zugleich erklärte er sich bereit, gegen eine einmalige Zahlung von 10.000 DM auf das Gutachten zu verzichten. Diese Forderung genügte bereits, um ihn endgültig auf den Pflichtteil zu verweisen. Entscheidend sei die Perspektive des überlebenden Ehegatten. Da die Pflichtteilsstrafklausel gerade vermeiden möchte, dass der überlebende Ehepartner mit Erbansprüchen belastet wird, genüge es, wenn der pflichtteilsberechtigte Erbe den Pflichtteil fordert, ohne dass es darauf ankommt, dass und ob der Pflichtteil ausgezahlt wird.

Welchen Zweck hat die Pflichtteilsstrafklausel?

Zweck einer Pflichtteilsstrafklausel ist, den überlebenden Ehepartner vor Erbansprüchen der gesetzlichen Erben zu schützen.

Praxisbeispiel:

Hans Mueller hinterlässt das Familienwohnhaus, das er mit seiner Frau gebaut und zeitlebens bewohnt hat. Das Ehepaar hat zwei Kinder. Weiterhin verfügt er über Barvermögen von 50.000 EUR.

Würden Herr und Frau Mueller die gesetzliche Erbfolge belassen, würde der überlebende Ehepartner mit den Kindern eine Erbengemeinschaft bilden. Sie müssten den Nachlass unter sich aufteilen. In diesem Fall wäre der überlebende Ehepartner oft genötigt, das Wohnhaus zu verkaufen, nur um den Erbteil der Kinder auszahlen zu können. Auch das Bargeld wäre aufzuteilen. Würde der überlebende Ehepartner pflegebedürftig werden, würde Geld fehlen, um die Pflege bezahlen zu können. Müsste er wegen des Verkaufs aus dem Haus ausziehen, müsste er in Miete wohnen. Um diese negativen Folgen zu vermeiden, setzen sich die Ehepartner testamentarisch zum Alleinerben ein und gewährleisten damit, dass der Nachlass nach dem Tode des zuerst versterbenden Ehepartners ungeteilt dem überlebenden Ehepartner verbleibt. Lediglich der Pflichtteil der Kinder bleibt bestehen. Um auch hier das Risiko auszuschließen, dass Nachlasswerte versilbert werden müssen, sollten Ehegattentestamente eine solche Pflichtteilsstrafklausel enthalten.

Fazit

Pflichtteilsstrafklauseln sind ernst zu nehmen. Pflichtteilsberechtigte brauchen Geduld. Sie sollten auch auf die Situation Rücksicht nehmen, die den Erblasser veranlasst hatten, den anderen Elternteil zum alleinigen Erben zu bestimmen.

Autor:  Heinrich von Südhoff

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